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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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Errinwright weiß das. Deshalb hat er es so gedreht.«
    Draußen hob ein weiteres Shuttle ab. Avasarala konnte bereits das Röhren des Antriebs hören und den Schub der falschen Schwerkraft spüren, die sie in die Polster drückte. Es war dreißig Jahre her, dass sie zum letzten Mal die Schwerkraftsenke der Erde verlassen hatte. Angenehm würde der Flug gewiss nicht werden.
    »Die werden Sie töten, wenn Sie auf dem Schiff sind.« Bobbie machte nach jedem Wort eine dramatische Pause.
    »Nein, so wird das Spiel nicht gespielt«, widersprach Avasarala. »Sie werden vielmehr …«
    Die Tür ging wieder auf, Soren brachte den Tee. Der Teekessel bestand aus Gusseisen, daneben stand ein einsamer henkelloser Emailbecher auf dem Tablett. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, dann bemerkte er Bobbie. Man konnte leicht vergessen, wie groß sie war, bis ein Mann von Sorens Größe buchstäblich vor ihr niederkauerte.
    »Mein Tee! Ausgezeichnet. Möchten Sie auch eine Tasse, Bobbie?«
    »Nein.«
    »Also gut. Stellen Sie das schon ab, Soren. Ich trinke nicht, solange Sie da herumstehen. Gut. Und schenken Sie mir eine Tasse ein.«
    Avasarala sah, wie er der Marinesoldatin den Rücken kehrte. Seine Hände zitterten nicht, das musste sie anerkennen. Die Politikerin stand schweigend da und wartete, dass er ihr die Teetasse brachte, als sei er ein kleiner Hund, der ein Spielzeug apportieren lernte. Dann blies sie auf den Tee und zerstreute die kleine Dampfwolke. Er drehte sich demonstrativ nicht zu Bobbie um.
    »Wäre sonst noch etwas, Madam?«
    Avasarala lächelte. Wie viele Menschen hatte dieser Junge allein dadurch getötet, dass er seine Vorgesetzte belogen hatte? Sie würde es niemals genau herausfinden, und er selbst natürlich auch nicht. Das Beste, was sie tun konnte, war, dafür zu sorgen, dass er es nie wieder tun konnte.
    »Soren«, sagte sie. »Die werden erfahren, dass es Ihre Schuld war.«
    Es war zu viel für ihn. Er sah sich über die Schulter um. Dann wandte er sich wieder ihr zu. Sein Gesicht war beinahe grün vor Angst.
    »Wen meinen Sie damit?«, fragte er verzweifelt.
    »Diese Leute. Wenn Sie darauf hoffen, dass sie Ihnen bei Ihrer Karriere helfen, dann muss ich Sie enttäuschen. Das werden sie nicht tun. Die Männer, für die Sie arbeiten, werden Sie fallen lassen, sobald sie erfahren, dass Sie aufgeflogen sind. Für Versager haben sie keinerlei Mitgefühl.«
    »Ich …«
    »Das gilt auch für mich selbst. Lassen Sie bitte keine persönlichen Utensilien in Ihrem Schreibtisch zurück.«
    Sie sah es in seinen Augen. Die Zukunft, die er geplant und für die er gearbeitet hatte, mit deren Hilfe er sich selbst definiert hatte, war zerstört. Stattdessen musste er sich nun auf ein Leben mit der Stütze einstellen. Das war nicht Strafe genug, bei Weitem nicht. Doch das war alles, was sie in so kurzer Zeit mit ihm tun konnte.
    Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, räusperte Bobbie sich.
    »Was wird mit ihm passieren?«, fragte sie.
    Avasarala nippte am Tee. Es war ein guter, frischer grüner Tee, perfekt aufgegossen – ein kräftiges Aroma, zugleich lieblich und überhaupt nicht bitter.
    »Das kümmert mich einen Dreck«, sagte sie. »Die Jacht von Mao-Kwik startet in vier Tagen. Uns bleibt nicht viel Zeit, und keiner von uns wird aufs Klo gehen können, ohne dass die bösen Jungs es bemerken. Ich gebe Ihnen eine Liste von Leuten, mit denen ich einen Drink nehmen, Kaffee trinken oder essen muss, ehe wir aufbrechen. Ihre Aufgabe besteht darin, dies zu arrangieren.«
    »Bin ich jetzt Ihre Terminsekretärin?«, fragte Bobbie empört.
    »Sie und mein Mann sind die einzigen lebenden Menschen, die mich nicht behindern wollen«, erklärte Avasarala. »So weit bin ich jetzt heruntergekommen. Es muss geschehen, und es gibt niemanden mehr, auf den ich mich verlassen kann. Ja, Sie sind meine Terminsekretärin. Und meine Leibwächterin. Sie sind meine Therapeutin. Alles zusammen, das sind Sie.«
    Bobbie senkte den Kopf und atmete durch geweitete Nasenflügel hörbar aus. Sie schürzte die Lippen und schüttelte ein einziges Mal rasch den großen Kopf – nach links, nach rechts, wieder in die Mitte.
    »Sie sind im Arsch«, sagte Bobbie.
    Avasarala trank noch einen Schluck Tee. Sie müsste am Boden zerstört sein, müsste in Tränen ausbrechen. Die Gegner hatten sie überlistet und ihr jegliche Macht genommen. Jules-Pierre Mao hatte dort gesessen, keinen Meter von ihr entfernt, und sie insgeheim ausgelacht.

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