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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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zugegebenermaßen so aussieht. Das ist die Chesapeake . Oder sie wird es sein. Sie wird für Dauerschub bei hoher Beschleunigung konstruiert. Ich glaube, sie wollen das arme Ding zwei Monate lang bei acht G betreiben.«
    »Wohin wollen die denn?« Prax hatte ein paar Zahlen im Kopf überschlagen. »Damit wären sie doch außerhalb der Umlaufbahn … von so ziemlich allem.«
    »Ja, sie wollen tief in den Raum. Sie wollen die Nauvoo bergen.«
    »Das Generationenschiff, das Eros in die Sonne stoßen sollte?«
    »Genau. Als der Plan scheiterte, haben sie die Maschinen abgestellt, und seitdem fliegt es antriebslos weiter. Es war noch nicht fertig, daher konnten sie es nicht mit der Fernbedienung zurückholen. Die Nauvoo war eine erstaunliche Leistung. Aber selbst wenn sie das Schiff zurückholen, werden die Mormonen Tycho wohl verklagen, bis die Knochen knacken, sofern sie einen Weg finden, wie sie das anstellen können.«
    »Warum ist das so schwierig?«
    »Die AAP erkennt die Gerichtsbarkeit von Erde und Mars nicht an, und die Gerichte im Gürtel unterstehen ihr selbst. Also kann man vor einem falschen Gericht, das keine Rolle spielt, einen Sieg erringen oder vor dem richtigen verlieren.«
    »Oh«, machte Prax.
    Die Details schälten sich heraus, während die Tycho-Station auf dem Bildschirm heranwuchs. Prax konnte nicht einmal sagen, welche Einzelheit alles ins Lot brachte, aber auf einmal begriff er, wie riesig die Station wirklich war, und keuchte leise. Die Konstruktionskugel maß allein schon einen halben Kilometer und entsprach damit zwei kompletten Landwirtschaftskuppeln, deren Bodenflächen man aneinandergesetzt hatte. Langsam wurde die gewaltige Industrieanlage größer, bis sie die Bildschirme ausfüllte. Der Sternenschein wich dem Licht der Arbeitsleuchten und der Beobachtungsplattform, die über eine gläserne Kuppel verfügte. Platten aus Stahl und Keramik und Gerüste verdrängten die Schwärze. Mächtige Antriebe konnten die ganze Station, die im Grunde eine Stadt im Himmel war, an jeden Ort des Sonnensystems bewegen. Komplizierte Drehgelenke sorgten dafür, dass die Station sich neu ausrichten konnte, wenn der Schub anstelle der Rotation die Schwerkraft erzeugte.
    Es war atemberaubend. Einfach und doch effektiv wie ein Blatt oder ein Wurzelgeflecht lag die elegante, funktionelle Station vor ihm. Es war Ehrfurcht gebietend, etwas von Menschen Erdachtes zu sehen, das den Früchten der Evolution so sehr ähnelte. Dies war es, was wahre Kreativität eigentlich ausmachte: das Unmögliche verwirklichen.
    »Das ist eine gute Arbeit«, sagte Prax.
    »Und ob«, stimmte Alex zu. Dann sagte er über den schiffsweiten Kanal: »Wir sind angekommen. Schnallt euch während des Andockvorgangs an. Ich schalte auf manuelle Steuerung um.«
    Prax richtete sich auf seiner Liege halb auf.
    »Soll ich in mein Quartier zurückkehren?«
    »Sie sind hier so gut aufgehoben wie an jedem anderen Ort. Ziehen Sie nur das Netz über Ihren Sitz, falls wir gegen irgendetwas prallen«, riet Alex ihm. Dann wechselte er zum strengen, dienstlichen Tonfall: »Tycho-Kontrolle, hier ist die Rosinante . Sind wir klar zum Andocken?«
    Eine ferne Stimme antwortete auf die Anfrage.
    »Verstanden«, sagte Alex. »Wir kommen rein.«
    In den Dramen und Actionfilmen, die Prax auf Ganymed gesehen hatte, wurde das Steuern eines Schiffs immer wie Schwerarbeit dargestellt. Schwitzende Männer kämpften angestrengt mit den Kontrollen. Bei Alex sah es völlig anders aus. Natürlich hatte er zwei Joysticks, doch die Bewegungen waren ruhig und gelassen. Ein Antippen, die Schwerkraft veränderte sich, und die Liege unter ihm verlagerte sich um ein paar Zentimeter. Wieder ein Tippen, eine weitere Verlagerung. Die vorderen Displays zeigten einen Tunnel im Vakuum, definiert durch blaue und goldene Markierungen, die ihnen entgegenflogen und rechts von ihnen verschwanden. Sie gingen von der Seite des sich drehenden Rings aus.
    Prax beobachtete die unzähligen Daten, die Alex empfing, und sagte: »Warum fliegen Sie selbst? Könnte das Schiff anhand der Daten nicht automatisch andocken?«
    »Warum ich fliege?«, gab Alex lachend zurück. »Weil es Spaß macht, Doc. Weil es Spaß macht.«
    Die bläuliche Nachtbeleuchtung auf Tychos Beobachtungsplattform war so deutlich zu erkennen, dass Prax sogar die Menschen ausmachen konnte, die zu ihm herausblickten. Beinahe vergaß er, dass die Bildschirme im Cockpit keine Fenster waren. Der Drang, den Leuten zuzuwinken und zu

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