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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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war er wieder aufgetaucht und hatte kleine Kinder entführt.
    Wahrscheinlich, so dachte Holden, hatte er sie auch ermordet.

35 Avasarala
    Auf dem Bildschirm lachte der junge Mann so, wie er fünfundzwanzig Sekunden vorher tatsächlich auf der Erde gelacht hatte. Verzögerungen in dieser Größenordnung verabscheute Avasarala mit besonderer Inbrunst. Zu viel, um sich noch halbwegs normal zu unterhalten, aber noch nicht ganz so groß, um jedes Gespräch grundsätzlich auszuschließen. Alles, was sie tat, dauerte viel zu lange. Sie konnte den Reaktionen und Nuancen der Antwort nicht mehr entnehmen, auf welche Teile ihres eigenen Kommentars, den sie kurz vorher abgegeben hatte, sie sich bezogen.
    »Nur Sie sind fähig, mitten in einem Krieg zwischen Erde und Mars eine private Kreuzfahrt zu veranstalten und darüber auch noch sauer zu sein«, sagte er. »Jeder andere in meinem Büro hätte seinen linken Hoden hergegeben, um Sie zu begleiten.«
    »Beim nächsten Mal veranstalte ich eine Sammlung, aber …«
    »Was das militärische Inventar angeht«, sagte der Gesprächspartner fünfundzwanzig Sekunden vorher, »so gibt es einige Berichte, die freilich leider nicht so präzise sind, wie ich es gern hätte. Weil Sie es sind, habe ich zwei meiner Praktikanten darauf angesetzt, Suchparameter zu entwickeln. Mein Eindruck ist, dass das offizielle Forschungsbudget ungefähr ein Zehntel der Summe beträgt, die tatsächlich in die Forschung fließt. Dank Ihrer Freigaben darf ich mir die Dokumente jetzt ansehen, aber die Marineleute sind sehr gut darin, Dinge zu vertuschen. Ich glaube, Sie werden …«, sein Gesicht umwölkte sich, »nicht mehr als eine frisierte Auswahl bekommen.«
    »Vergessen Sie das. Worauf wollen Sie hinaus?«
    Sie wartete fünfzig Sekunden und hasste jede einzelne davon.
    »Ich weiß nicht, ob wir überhaupt eine klare Antwort bekommen werden«, fuhr der junge Mann fort. »Vielleicht haben wir Glück, aber wenn sie etwas verbergen wollen, dann wird es ihnen vermutlich auch gelingen.«
    Zumal sie wissen, dass du danach suchst und ich dich damit beauftragt habe, dachte Avasarala. Selbst wenn die Geldströme zwischen Mao-Kwikowski, Nguyen und Errinwright im Moment noch sichtbar waren, wären alle Spuren verwischt, bis Avasaralas Verbündeten Einsicht gewährt wurde. Sie konnte nur an so vielen Fronten wie möglich Druck erzeugen und hoffen, dass die Gegner einen Fehler begingen. Noch drei Tage voller Bitten um Informationen und Nachfragen, und sie konnte eine Datenstromanalyse anfordern. Sie wusste nicht genau, welche Informationen die anderen verbargen, aber wenn sie herausfand, welche Arten und Kategorien von Daten man ihr vorenthielt, würde ihr auch dies etwas sagen.
    Etwas, aber nicht sehr viel.
    »Tun Sie, was Sie können«, sagte sie. »Ich genieße unterdessen im großen Nichts das Leben. Melden Sie sich.«
    Sie wartete nicht noch einmal fünfzig Sekunden auf die nächste höfliche Runde von Floskeln und Verabschiedungen. Das Leben war zu kurz für diesen Unsinn.
    Ihre Privatgemächer auf der Guanshiyin waren traumhaft. Bett und Sofa bildeten einen wundervollen Kontrast zu den goldenen und grünen Tönen des dicken Teppichs. Die Beleuchtung war die beste Annäherung an morgendliches Sonnenlicht, die sie je gesehen hatte, und die Luftrecycler verströmten den Duft von aufgeworfener Erde und frisch gemähtem Gras. Nur der leichte Schub zerstörte die Illusion, sie sei irgendwo im Grüngürtel von Südasien in einem privaten Golfclub. Die niedrige Schwerkraft und die verdammte Zeitverzögerung.
    Sie hasste die niedrige Schwerkraft. Auch wenn die Beschleunigung völlig sanft war und die Jacht keine abrupten Manöver machte, um Weltraumschrott auszuweichen, ihr Bauch war an ein volles G gewöhnt, das sie nach unten zog. Seit sie das Schiff betreten hatte, war ihre Verdauung nicht mehr in Ordnung, und sie war ständig etwas atemlos.
    Ihr Com-System zirpte. Ein neuer Bericht von der Venus. Sie öffnete das Dokument. Die erste Analyse der Trümmer der Arboghast hatte begonnen. Das Metall war teilweise ionisiert, was zu der Theorie eines Wissenschaftlers über die Funktionsweise des Protomoleküls passte. Es war die erste bestätigte Vorhersage, ein winziger Schritt auf dem Weg zu einem echten Verständnis der Vorgänge auf der Venus. Die zeitliche Abfolge der drei Energiespitzen war inzwischen genau bestimmt. Eine Spektralanalyse der oberen Atmosphäreschichten der Venus zeigte mehr elementaren Stickstoff als

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