Calibans Krieg
derzeit und in dieser Situation möglich ist. Die Koalition, die ich zwischen Mars, Elementen aus dem Gürtel und der Regierung der Erde geschmiedet habe, ist bereit, zur Tat zu schreiten. Aber die UN müssen sich von diesem Plan distanzieren und sofort Maßnahmen ergreifen, um die Fraktion innerhalb der Regierung zu isolieren und auszuschalten, die uns diesen Haufen Hundekacke vor die Tür gesetzt hat. Noch einmal, entschuldigen Sie die drastische Ausdrucksweise.
Ich habe Kopien der hier angefügten Daten an die Admiräle Souther und Leniki sowie an mein Team geschickt, das an dem Venusproblem arbeitet. Sie stehen Ihnen natürlich zur Verfügung, um alle Fragen zu beantworten, falls ich nicht erreichbar bin.
Es tut mir sehr leid, Sie in diese Situation zu bringen, Sir, aber Sie müssen sich in diesem Fall für eine Seite entscheiden, und zwar sehr schnell. Die Ereignisse hier draußen haben eine Eigendynamik entwickelt. Wenn Sie auf der richtigen Seite der Geschichte stehen wollen, dann müssen Sie jetzt einschreiten.«
Falls es überhaupt eine Geschichte gibt, in der man auf der richtigen Seite stehen kann, dachte sie. Anschließend überlegte sie, ob sie sonst noch etwas vorzubringen hatte, irgendein Argument, das die in vielen Jahresringen angelegten hölzernen Wucherungen um das Haupt des Generalsekretärs durchdringen konnte. Ihr fiel jedoch nichts ein, und alles in einfachen Kinderbuchversen zu wiederholen hätte vermutlich herablassend geklungen. Also stoppte sie die Aufzeichnung, schnitt die letzten paar Sekunden weg, in denen sie verzweifelt in die Kamera geblickt hatte, und schickte die Aufnahme mit diplomatischer Verschlüsselung und höchster Priorität ab.
Darauf lief es nun also hinaus. Die ganze menschliche Zivilisation und alles, was sie seit der ersten Höhlenmalerei bis heute hervorgebracht hatte, da sie aus der Schwerkraftsenke kroch und das Vorzimmer der Sterne betrat, hing davon ab, dass ein Mann, dessen größte Ruhmestat darin bestand, für das Verfassen schlechter Gedichte ins Gefängnis gesteckt worden zu sein, den Mut fand, Errinwright aufzuhalten. Das Schiff führte erneut eine Kurskorrektur durch und bewegte sich wie ein Lift, der auf einmal den Schacht zu verlassen drohte. Sie wollte sich aufrichten, doch die kardanisch aufgehängte Liege folgte der Bewegung. Bei Gott, sie hasste die Reisen im Weltraum.
»Wird es funktionieren?«
Der Botaniker stand in ihrer Tür. Er war spindeldürr, und der Kopf schien für den Rumpf ein wenig zu groß zu sein. Er war nicht so unästhetisch gebaut wie die Gürtler, aber man konnte ihn keineswegs für jemanden halten, der bei voller Schwerkraft aufgewachsen war. Nun stand er also in ihrer Tür, versuchte eine Beschäftigung für die nervösen Hände zu finden und wirkte linkisch, verloren und fremd.
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Wenn ich dort wäre, würde es so laufen, wie ich es mir vorstelle. Ich könnte ein paar Leuten die Eier quetschen, bis sie es so sehen wie ich. Aber von hier aus? Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
»Aber Sie können doch auch von hier aus mit allen Leuten reden, oder?«
»Das ist nicht das Gleiche.«
Er nickte und richtete anscheinend den Blick nach innen. Trotz der Unterschiede hinsichtlich Hautfarbe und Körperbau erinnerte der Mann sie auf einmal an Michael-Jon. Auch er erweckte den Eindruck, stets einen halben Schritt neben der realen Welt zu stehen. Nur dass Michael-Jons Zurückhaltung an Autismus grenzte, während Praxidike Meng für die Menschen in der Umgebung etwas deutlicher sichtbar war.
»Die haben sich an Nicola gewandt«, erklärte er. »Die haben sie gezwungen, Lügen über mich und Mei zu verbreiten.«
»Natürlich haben sie das getan. So gehen diese Leute vor. Wenn sie es für nötig gehalten hätten, gäbe es jetzt auch Papiere und Polizeiberichte, um das alles zu untermauern. Alles zurückdatiert und in die Datenbanken eingepflegt, wo immer Sie bislang gelebt haben.«
»Ich hasse es, wenn die Menschen glauben, ich hätte das wirklich getan.«
Avasarala nickte und zuckte schließlich mit den Achseln.
»Der Ruf eines Menschen hat meist nicht viel mit der Realität zu tun«, erklärte sie. »Ich könnte Ihnen ein halbes Dutzend scheinbar absolut tugendhafte Menschen nennen, die in Wirklichkeit kleingeistig und böse sind. Und einige der besten Männer, die ich kenne, tragen Namen, bei deren Klang Sie sofort den Raum verlassen würden. Niemand ist auf dem Bildschirm der Mensch, den
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