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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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Krankenschwester gekleidet noch so recht wie eine Nonne. Sie war groß und dünn und sehr, sehr alt. Sie sah mich mindestens eine Minute lang geradeheraus an, ohne etwas zu sagen, dann lehnte sie sich vor und nahm meine Hand. Sie sah sich in alle Richtungen um, zog mich in die Eingangshalle und flüsterte verschwörerisch: »Die Pole treiben auseinander, meine Liebe.«
    Vor lauter Verwunderung fand ich keine Worte, doch zum Glück wartete sie gar nicht auf meine Reaktion und fuhr in fast atemloser Begeisterung fort: »Ja, und Mars und Venus sind in Konjunktion. Sie wissen sicher, was das bedeutet?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Oh, meine Liebe, die statischen Kräfte, die Konvergenz des Flüssigen mit dem Festen, das Hexagon senkt sich und durchquert den Äther. Ganz besondere Zeiten erleben wir. Wie aufregend. Die kleinen Engel klatschen schon mit den Flügeln.«
    Sie lachte, klatschte in ihre knochigen Hände und vollführte ein kleines Tänzchen.
    »Aber kommen Sie herein, kommen Sie, meine Liebe. Sie müssen einen Tee trinken und ein Stück Kuchen essen. Der Kuchen ist sehr lecker. Mögen Sie Kuchen?«
    Ich nickte.
    »Ich auch. Essen wir zusammen ein Stück, meine Liebe, und dann müssen Sie mir Ihre Meinung zu der Theorie verraten, dass die Tiefen des Universums durch die Schwerkraft beständig zusammengezogen werden, um neue Himmelskörper zu bilden.«
    Sie drehte sich um und marschierte geschwind einen mit Steinfliesen ausgelegten Flur hinunter, umweht von ihrem weißen Schleier. Ich zweifelte noch, ob ich ihr folgen sollte, denn ich war überzeugt, an der falschen Adresse zu sein, doch sie schien zu erwarten, dass ich direkt hinter ihr blieb, sie redete die ganze Zeit und stellte Fragen, auf die sie offenkundig keine Antwort erwartete.
    Sie betrat eine riesige viktorianisch anmutende Küche mit einem Steinboden, einer steinernen Spüle und Abtropfgestellen, Tischen und Schränken aus Holz. Außerdem erkannte ich in dem Raum einen altmodischen Gasherd und darüber hölzerne Tellerregale, einen großen Boiler von Ascot über der Spüle und Bleirohre an der Wand. Ein riesiger Koksofen stand in einer Ecke, dessen Abzugsrohr oben in der Decke verschwand.
    »Kommen wir also zum Kuchen«, sagte meine Begleiterin. »Mrs B. hat ihn heute Morgen gebacken. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Wo haben sie ihn hingestellt? Schauen Sie doch auch mal nach, meine Liebe.«
    Das falsche Haus zu betreten, ist so eine Sache, aber eine fremde Küche zu durchstöbern, ging dann doch zu weit. Ich fand meine Stimme wieder: »Ist das hier das Nonnatus House?«
    Die alte Frau hob ihre Hände in einer dramatischen Geste und rief mit klarer, heller Stimme: »Nicht geboren und doch im Tode geboren. Zu Großem geboren. Geboren zu führen und zu begeistern.« Sie richtete ihre Augen zur Decke und senkte die Stimme zu einem fesselnden Flüsterton: »Geboren, um die Weihe zu empfangen!«
    War sie verrückt? Ich starrte sie sprachlos und wie gelähmt an. Dann wiederholte ich meine Frage. »Ja sicher, aber ist das hier das Nonnatus House?«
    »Oh, meine Liebe, gleich, als ich Sie sah, wusste ich, dass Sie verstehen. Die Wolkendecke bleibt geschlossen. Jugend wird mit vollen Händen verteilt, die Glocken singen von traurigem Indigo und tiefdunklem Rot. Lassen Sie uns so gut wir können einen Sinn darin erkennen. Setzen Sie den Kessel auf, meine Liebe. Stehen Sie nicht einfach so herum.«
    Es schien unergiebig, meine Frage zu wiederholen, also füllte ich den Kessel. Die Wasserleitungen in der ganzen Küche rappelten und wackelten und verursachten einen furchterregenden Lärm, als ich den Hahn aufdrehte. Die alte Frau stöberte umher, öffnete Schränke und Dosen und schwatzte die ganze Zeit etwas von kosmischen Strahlen und dem Zusammenfluss des Äthers. Plötzlich stieß sie einen kleinen Freudenschrei aus. »Der Kuchen! Der Kuchen! Ich wusste, dass ich ihn finde.«
    Sie drehte sich zu mir um und flüsterte mit keckem Glanz in den Augen: »Sie glauben, sie können Sachen vor Schwester Monica Joan verstecken, aber sie sind nicht schlau genug, meine Liebe. Ob lahm oder geschwind, Gelächter oder Verzweiflung, nichts kann sich verstecken, alles kommt ans Licht. Holen Sie zwei Teller und ein Messer. Wo bleibt der Tee?«
    Wir setzten uns an den riesigen hölzernen Tisch. Ich schenkte Tee ein und Schwester Monica Joan schnitt zwei breite Kuchenstücke ab. Sie zerbröselte ihres zu winzigen Stückchen, die sie mit langen, knochigen Fingern

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