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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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Hautpigmentierung prägt sich in der Regel stärker aus, wenn das Kind älter wird, und irgendwann wird Ted es mit Sicherheit bemerken und anfangen, Fragen zu stellen.«
    Die Zeit verging und Ted bemerkte nichts – oder er ließ es sich nicht anmerken. Winnie musste mit ihrer Mutter und der übrigen weiblichen Verwandtschaft besprochen haben, dass niemand Ted gegenüber das Äußere des Babys erwähnen solle, und tatsächlich wurde kein Wort darüber verloren.
    Etwa sechs Wochen später ging Winnie wieder in Teilzeit im Zeitungsladen arbeiten. Ted beschäftigte sich untertags länger mit dem Baby und übernahm den größten Teil der elterlichen Pflichten. Er badete und fütterte den kleinen Jungen und fuhr ihn stolz im Kinderwagen spazieren, grüßte die Passanten und lud sie alle ein, »meinen Sohn Ted« zu betrachten. Als das Baby älter wurde, spielte er ständig mit ihm und dachte sich lehrreiche Spiele und Spielsachen aus. Daher war der kleine Ted mit anderthalb Jahren schon sehr aufgeweckt und für sein Alter sehr gut entwickelt. Es war eine Freude, das Verhältnis zwischen Vater und Sohn zu beobachten.
    Als das Kind das Schulalter erreichte, hatte er eindeutig schwarze Züge. Und doch schien Ted nichts aufzufallen. Er hatte einen größeren Freundeskreis als je zuvor, was er vor allem der Tatsache verdankte, dass er sein Kind überallhin mitnahm und die Menschen auf diesen schlauen, hübschen Jungen reagierten, den Ted stolz als »mein Sohn Ted« vorstellte. Das Kind war auf seine Art ebenso stolz auf seinen Vater und hielt sich an seiner schützenden Hand fest, während seine großen, schwarzen Augen liebevoll zu ihm aufschauten. In der Schule sprach er immer von »meinem Dad«, als sei er der König in Person.
    Ted, der langsam auf die siebzig zuging, scheute sich nicht, gemeinsam mit den jungen Müttern, die fast ein halbes Jahrhundert jünger waren als er, am Schultor zu warten. Nur zwei oder drei Kinder von Eltern schwarzer oder unterschiedlicher Hautfarbe kamen aus der Schule und liefen dunkelhäutigen Müttern entgegen. Eines jedoch warf sich in Teds Arme und rief »Daddy«.
    »Komm, mein Sohn, wir gehn heute runter an die Docks«, sagte er dann und küsste ihn. »Heute Morgen is ein großes deutsches Schiff mit drei Schloten reingekommen. So was sieht man nich oft. Un deine Mum hat dann sicher schon den Tee fertig, wenn wir zurückkommen.«
    Noch immer schien er nichts zu bemerken.
    Natürlich gab es Geflüster und Tratsch unter den Nachbarn und Bekannten, aber niemand sagte je etwas zu Ted selbst. Unfreundliche Stimmen kicherten vor sich hin und sagten: »Die schlimmsten Narren sind die alten.« Und wer ihnen zuhörte, lachte und nickte: »Das kannste laut sagen.«
    Ich habe eine andere Theorie.
    In der russisch-orthodoxen Kirche gibt es das Konzept des heiligen Narren. Der Begriff bezeichnet jemanden, der nach weltlichen Maßstäben wie ein Narr, in Gottes Augen jedoch weise handelt.
    Ich glaube, dass Ted vom ersten Moment an sah, dass er keinesfalls der Vater des Babys sein konnte. Es muss ein Schock für ihn gewesen sein, aber er beherrschte sich, setzte sich hin und dachte lange nach, das Baby im Arm. Vielleicht sah er voraus.
    Vielleicht verstand er in diesem Moment, dass es eine Schmach für das Kind bedeutete, die seine gesamte Zukunft beeinträchtigen musste, wenn er seine Vaterschaft anzweifelte. Vielleicht wurde ihm klar, als er das Baby hielt, dass jede Andeutung in dieser Richtung sein ganzes Glück infrage stellte. Vielleicht verstand er auch, dass er von einem so unabhängigen und lebhaften Menschen wie Winnie nicht erwarten konnte, dass sie mit ihm ein aufregendes und erfüllendes Sexualleben hatte. Vielleicht flüsterte ihm ein Engel zu, dass jegliche Fragen am besten unausgesprochen und ohne Antwort blieben.
    Und so entschied er sich für das völlig Unerwartete und gleichzeitig für den einfachsten aller möglichen Wege. Er beschloss, ein Narr zu sein, der das Offensichtliche nicht erkannte.

Die Mittagsgesellschaft
    »Nein, Jimmy, diesmal nicht. Du kannst nicht mit Mike im Heizungsraum des Nonnatus House kampieren. Ich habe vielleicht die leitende Wohnheimschwester im Krankenhaus hintergangen, aber bei Schwester Julienne mache ich das nicht. Außerdem traue ich euch nicht. Ich glaube euch kein Wort, dass es schon wieder ein Notfall ist. Ich glaube, ihr wollt bei den Jungs nur damit angeben, dass ihr in einem Kloster übernachtet habt!«
    Jimmy und Mike schauten leicht betrübt

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