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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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werdende Mutter frühzeitig über ihren Arzt anmelden. Ich konnte mir keineswegs sicher sein, dass Molly das tat. Sie schien mir zu schlampig und apathisch, um sich über irgendetwas Gedanken zu machen. Wenn sie nicht zur Vorsorgesprechstunde geht, dann wird sie sich auch nicht die Mühe machen, die Entbindung neu zu planen, dachte ich, und ich konnte mir gut vorstellen, dass wir in zwei, drei Wochen um Mitternacht einen Anruf bekämen, auf den wir reagieren mussten. Ich beschloss, ihre Mutter zu besuchen und ihrem Arzt Bericht zu erstatten.
    Die »kanadischen« Gebäude mit den Namen Ontario, Baffin, Hudson, Ottawa und so weiter waren sechs Wohnblocks zwischen Blackwall Tunnel und Blackwall Stairs, in denen die Menschen dicht an dicht lebten. Jeder Block hatte etwa sechs Stockwerke und war nur sehr dürftig mit je einem Wasserhahn und einer Toilette am Ende jeder Galerie ausgestattet. Es lag außerhalb meiner Vorstellungskraft, wie man dort leben und dabei Reinlichkeit und Selbstachtung bewahren konnte. Es hieß, dass um die fünftausend Menschen in den kanadischen Wohnblocks lebten.
    Ich fand die Wohnung von Mollys Mutter Marjorie im Block »Ontario« und klopfte. Eine muntere Stimme rief: »Komm rein, Liebes.« Die typische Begrüßung der Bewohner des East Ends, ganz gleich, wer man war. Die Tür wurde aufgeschlossen. Ich trat ein und stand sofort im größten Zimmer der Wohnung. Als ich hineinkam, drehte sich Marjorie mit einem strahlenden Lächeln zu mir um. Doch das Lächeln verschwand, sobald sie mich sah, und sie ließ die Arme auf beiden Seiten hängen.
    »Oh nein. Nein. Nich schon wieder. Sie kommen wegen unsrer Moll, nich wahr?« Sie setzte sich auf einen Stuhl, schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte.
    Es war mir peinlich. Ich wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte. Manche Menschen sind gut im Umgang mit anderen und ihren Problemen, aber ich habe diese Gabe nicht. Je aufgewühlter die Leute sind, umso schlechter komme ich damit zurecht. Ich stellte meine Tasche auf einen Stuhl, setzte mich neben sie und schwieg. Ich nutzte die Gelegenheit, mich im Zimmer umzusehen.
    Nachdem ich den Dreck in Mollys Wohnung gesehen hatte, hatte ich erwartet, dass es bei ihrer Mutter ähnlich aussah, doch der Unterschied konnte nicht größer sein. Das Zimmer war sauber und aufgeräumt und roch angenehm. Hübsche Vorhänge zierten geputzte Fenster. Auch die Teppiche waren gebürstet und ausgeklopft. Ein Kessel blubberte auf dem Gasherd. Marjorie trug ein sauberes Kleid mit Schürze, ihr Haar war gebürstet und gepflegt.
    Beim Anblick des Kessels kam mir eine Idee, und als ihr Schluchzen langsam nachließ, sagte ich: »Wie wärs denn mit einer schönen Tasse Tee für uns beide. Ich bin völlig ausgedörrt.«
    Ihr Gesicht erhellte sich und sie sagte mit der für Cockneys typischen Höflichkeit: »Tschuldigung, Schwester. Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Das mit Moll regt mich immer arg auf, so is es halt.«
    Sie stand auf und kochte Tee. Es half ihr, etwas zu tun zu haben, und so schniefte sie die Tränen weg. Während der nächsten zwanzig Minuten schüttete sie mir ihr Herz aus und erzählte mir von ihren Hoffnungen und Sorgen.
    Molly war das jüngste von fünf Kindern. Sie hatte ihren Vater nie kennengelernt, denn er war während des Kriegs in Arnheim ums Leben gekommen. Die ganze Familie war nach Gloucestershire ausquartiert worden.
    Marjorie erzählte: »Ich weiß nich, ob sie das aus der Bahn geworfen hat oder was, aber aus den andern is was geworden.«
    Die Familie kehrte nach London zurück und zog im Block »Ontario« ein. Molly schien sich an die neue Umgebung und ihre neue Schule zu gewöhnen und brachte gute Noten nach Hause.
    »Sie war so helle«, sagte Marjorie. »Immer bei den Klassenbesten. Sie hätt Sekritärin werden können und in nem Bürro oben im Westen arbeiten können, hätt se. Ach, ’s bricht mir das Herz, wenn ich da dran denk.«
    Sie schluchzte und griff nach ihrem Taschentuch. »Sie war so vierzehn, als sie diesen Scheißkerl Richard kennengelernt hat. Dann blieb sie abends immer lang weg un hat gesagt, sie wär drüben im Jugendklub, aber ich hab gewusst, dass sie mich anlügt, also hab ich den Pfarrer gefragt un der sagt mir, dass Moll nich mal Mitglied war. Dann blieb sie die ganze Nacht lang weg. Ach, Schwester, Sie wissen ja gar nich, was das bei ner Mutter anrichtet.«
    Die gepflegte kleine Person in ihrer geblümten Schürze schluchzte in sich hinein. »Jede Nacht bin ich

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