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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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kümmern, doch Dick hatte sich geweigert, es seien ja schließlich seine Kinder und er habe nicht vor, diese alte Schachtel ihre Nase in seine Familienangelegenheiten stecken zu lassen.
    In der Wohnung hatte es nichts zu essen gegeben. Vielleicht hatte Molly das geahnt und sich deswegen selbst entlassen. Sie hatte kein Geld bei sich, doch als sie mit dem Baby nach Hause ging, war sie bei der Fleischerei vorbeigegangen und hatte den Metzger angefleht, ein paar Fleischpasteten anschreiben lassen zu dürfen. Da dieser ihre Mutter kannte und schätzte, hatte er sie Molly gegeben. Als Schwester Bernadette angekommen war, hatten die beiden kleinen Jungen, die nichts als schmutzige Pullover trugen, auf dem Boden gesessen und gierig die Pasteten verschlungen.
    Molly hatte kaum ein Wort gesagt, wie uns Schwester Bernadette erzählte. Sie hatte die Untersuchung über sich ergehen lassen und auch zugelassen, dass das Baby, ein kleines Mädchen, untersucht wurde, doch unterdessen war sie mürrisch und stumm geblieben. Schwester Bernadette hatte ihr gesagt, sie wolle Marjorie erzählen, dass ihre Tochter nun zu Hause sei.
    »Wenn Sie meinen«, hatte sie nur zur Antwort gegeben.
    Marjorie hatte von den jüngsten Ereignissen nichts mitbekommen und lief gleich hinüber zu Block »Baffin«. Unglücklicherweise kam Dick im gleichen Moment nach Hause zurück und sie begegneten einander auf dem Treppenabsatz. Betrunken ging er auf sie los, aber Marjorie wich ihm aus. Hätte er sie getroffen, sie wäre die Steinstufen hinabgestürzt. Danach traute sich die arme Frau nur noch, Lebensmittel zu kaufen und sie auf dem Absatz vor der Wohnungstür ihrer Tochter abzustellen.
    Wir besuchten unsere Patientinnen üblicherweise bis zwei Wochen nach der Geburt zweimal täglich. Molly und das Baby waren rein medizinisch gesehen wohlauf, aber im Haushalt sah es so schlimm wie immer aus. Manchmal war Dick zu Hause, manchmal nicht. Die arme Marjorie bekamen wir nie dort zu Gesicht. Für Molly und die Kinder hätte ihre Anwesenheit einen riesigen Unterschied bedeutet. Ihre Fröhlichkeit allein hätte die Atmosphäre deutlich aufgehellt, doch sie durfte nicht zu ihnen. Sie musste damit zufrieden sein, sich im Nonnatus House bei den Schwestern zu erkundigen, wie es ihrer Tochter und ihren Enkelkindern gehe. Einmal gab sie uns eine Tasche mit Babykleidern, die wir bei unserem nächsten Besuch mitnehmen sollten. Sie sagte, sie wolle die Sachen nicht auf dem Absatz zurücklassen, sie könnten feucht werden.
    Während der folgenden Tage bekam Molly Besuch von unterschiedlichen Schwestern, die alle von der gleichen beunruhigenden Lage berichteten. Eine sagte, sie sei kurz davor gewesen, sich zu übergeben, und habe raus an die frische Luft laufen müssen, um ihren Magen zu beruhigen. Am Abend des achten Tages besuchte ich Molly, doch auf mein Klopfen folgte keine Reaktion. Die Tür war abgeschlossen, also klopfte ich wieder – keine Antwort. Da es erst fünf Uhr war, beschloss ich, zuerst die anderen Besuche zu absolvieren und später wiederzukommen.
    Es war etwa acht Uhr, als ich zum Block »Baffin« zurückkehrte. Ich war müde und der Aufstieg zum fünften Stock kam mir sehr lang vor. Ich war fast versucht, den Besuch auszulassen. Schließlich waren Molly und das Baby ja in einem medizinisch zufriedenstellenden Zustand, und dafür zu sorgen, war unsere eigentliche Aufgabe. Doch irgendetwas drängte mich, diesen Besuch nicht zu übergehen, also stieg ich erschöpft die Stufen hinauf.
    Ich klopfte und wieder kam keine Antwort. Ich klopfte noch einmal, diesmal lauter – sie kann ja nicht immer noch beschäftigt sein, dachte ich. Eine der Nachbartüren auf der Galerie öffnete sich und eine Frau erschien.
    »Die is nich da«, sagte sie. Eine Zigarettenkippe klebte an ihrer Unterlippe.
    »Nicht da! Was soll das heißen? Sie hat doch gerade erst ein Baby bekommen.«
    »Die is trotzdem nich da, wenn ichs Ihnen doch sag. Hab sie mit eignen Augen gehen sehn. Aufgetakelt wie sie war.«
    »Wo ist sie denn hin?« Der Gedanke, dass sie zu ihrer Mutter gegangen sein könnte, schoss mir in den Sinn. »Hatte sie die drei Kinder dabei?«
    Die Frau lachte schrill auf, dass ihre Kippe zu Boden fiel. Als sie sich bückte, um sie aufzuheben, klapperten ihre Lockenwickler.
    »Was! Drei Kinder! Machen Sie Witze? Drei Kinder sin ja wohl ein bisschen viel für die, oder?«
    Die Frau gefiel mir nicht. Etwas in der Art, wie sie mich wissend angrinste, war äußerst unangenehm. Ich

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