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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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Seine eigenen Kleider waren klatschnass, aber er schien es gar nicht zu bemerken. In Lady Chatterley schliefen bereits alle und hatten sich überall ausgebreitet. Es gab noch nicht einmal einen Platz zum Hinsetzen. Jimmy kümmerte sich sofort darum. Er schüttelte einen der Jungs. »Wach auf und rück mal rüber. Jenny hat einen Asthmaanfall. Sie muss sich hinsetzen.«
    Dann griff er sich einen anderen: »He, wach auf und zieh deine Jacke aus. Ich brauch sie für Jenny.« Ganz fix hatte er mir eine Ecke frei gemacht, in der ich bequem sitzen konnte, und eine Jacke besorgt, die ich mir um die Schultern legte. Er weckte noch einen Kumpel, nahm dessen Jacke und bedeckte damit meine Beine. All das erledigte er charmant und gelassen, und weil sie ihn alle mochten, wurde keiner brummig. Nicht zum ersten Mal dachte ich, wie schade es doch war, dass ich Jimmy nicht lieben konnte. Ich hatte ihn schon immer gemocht, aber mehr war es nicht. Meine Liebe reichte nur für einen Mann und das schloss jede Möglichkeit aus, jemand anderen zu lieben.
    Schließlich machten wir uns auf den Weg zurück nach London. Die Jungs, die schwimmen gegangen waren, hatten beste Laune, denn das Baden hatte sie wieder munter gemacht, und sie neckten sich gegenseitig. Die Mädchen schliefen alle. Ich saß vorwärts gelehnt, mit den Ellbogen auf den Knien am offenen Fenster und mühte mich, meine Lungen wieder zum Durchatmen zu bewegen. Damals gab es noch keine Inhalatoren. Die einzige Linderung bestand in Atemübungen, die ich gerade machte. Ein Asthmaanfall geht irgendwann von selbst vorbei. Dass jemand an Asthma stirbt, ist ein relativ junges Phänomen, das mit den modernen Lebensbedingungen zu tun hat – wir sagten damals sogar: »An Asthma ist noch keiner gestorben.«
    Als wir Brighton verließen, brach ein wunderschöner Mittsommermorgen an. Langsam und erhaben bewegten wir uns nach Norden und hielten einige Male an, um Lady Chatterley abkühlen zu lassen. Am Fuße der North Downs weigerte sie sich, weiterzufahren.
    »Alles aussteigen. Wir müssen schieben«, rief der Fahrer fröhlich. Er hatte gut reden, er konnte ja hinter dem Steuer sitzen bleiben – dachte er.
    Die Sonne stand schon hoch und der Sommermorgen lag über dem Land. Wir stiegen alle aus dem Wagen. Ich hatte Angst, dass die physische Anstrengung beim Schieben einen neuen Anfall auslösen könnte, und sagte: »Ich gehe ans Steuer. Du kannst schieben. Du bist stärker als ich und hast kein Asthma.«
    Also saß ich an Lady Chatterleys Lenkrad, während die anderen sie die North Downs hinaufschoben. Ich bedauerte die armen Mädchen mit ihren hohen Absätzen, die die ganze Strecke schieben mussten, aber ich konnte nichts daran ändern, also genoss ich einfach die Fahrt.
    Die Pause muss der alten Dame gutgetan haben, denn als wir den höchsten Punkt hinter uns hatten und bergab rollten, gab sie ein tiefes, zufriedenes Husten von sich und der Motor begann wieder zu schnurren. Wir erreichten London ohne weitere Vorkommnisse. Alle mussten wir an diesem Morgen zur Arbeit, die meisten fingen um neun Uhr an. Ich hatte ab acht Uhr Dienst und es waren noch viele Meilen bis zum East End. Kurz nach zehn Uhr kam ich im Nonnatus House an und erwartete mächtigen Ärger. Doch wieder einmal wurde mir klar, wie viel freimütiger die Nonnen im Vergleich zu der starren Hierarchie im Krankenhaus waren. Als ich Schwester Julienne von den Abenteuern der Nacht erzählte, kam sie aus dem Lachen gar nicht mehr heraus.
    »Gut, dass wir gerade nicht viel zu tun haben«, war ihr Kommentar. »Sie lassen sich jetzt schön ein heißes Bad ein und frühstücken anschließend gut. Wir wollen nicht, dass Sie mit einer Erkältung ausfallen. Sie können Ihre Morgenrunde um elf anfangen und heute Nachmittag schlafen. Nebenbei: Ich glaube, ihr Jimmy gefällt mir.«
    Ein Jahr später brachte Jimmy ein Mädchen in andere Umstände und heiratete sie. Von seinem Lohn als Lehrling konnte er Frau und Kind nicht ernähren, also brach er seine Ausbildung im vierten Jahr ab und nahm eine Stelle als Zeichner in der Verwaltung eines Vororts an.
    Um die dreißig Jahre später lief ich Jimmy per Zufall auf dem Parkplatz eines Supermarkts über den Weg. Er wankte unter dem Gewicht eines riesigen Kartons und ging neben einer breiten, verdrießlich dreinschauenden Frau her, die eine Topfpflanze trug. Sie sprach ohne Pause in einer kratzigen Stimme, die meinen Ohren schon zuwider war, bevor ich die beiden überhaupt bemerkt hatte. Er

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