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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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mit ausgesuchter Höflichkeit und einer leichten Neigung ihres eleganten Kopfes ein einziges Wort sprach: »Sí.«
    Mrs Conchita Warren sprach offenbar kein Englisch. Während der ganzen Zeit, in der ich mit ihr zu tun hatte, waren die einzigen Wörter, die ich sie, abgesehen von dem Wortwechsel mit ihren Kindern, je sagen hörte, »sí« und »bebé« .
    Diese Frau machte einen außergewöhnlichen Eindruck auf mich. Selbst nach den Maßstäben der 1950er-Jahre musste man diesen Keller als Dreckloch bezeichnen. Überall hing und stand etwas herum: ein Spülstein, Wäsche, ein vor sich hin blubbernder Kessel, eine Wäschemangel, Kleider und Windeln, ein breiter Tisch, bedeckt mit Töpfen, Tellern und Essensresten, und ein Gasherd voller schmutziger Töpfe und Bratpfannen. Eine Mischung unangenehmer Düfte füllte den Raum. Und doch hatte diese stolze, schöne Frau alles unter Kontrolle, wofür sie Respekt verdiente.
    Sie sprach mit dem Mädchen, das mich nach oben in den ersten Stock führte. Das vordere Schlafzimmer war ganz und gar angemessen: Dort stand ein großes Doppelbett. Ich prüfte die Matratze – sie hing nicht sonderlich stark durch. Das würde genügen. Drei Kinderbetten standen im Zimmer, zwei Holzbetten mit aufklappbaren Seitenteilen und eine kleine Wiege, zwei riesige Kommoden und ein kleiner Kleiderschrank. Das Licht war elektrisch. Der Boden bestand aus Linoleum. Das Mädchen sagte: »Mum hat schon alles vorbereitet«, und öffnete eine Schublade voller schneeweißer Babykleider. Ich fragte nach der Toilette. Doch es gab etwas viel Besseres: ein Badezimmer – hervorragend! Mehr musste ich nicht sehen.
    Als wir das Elternschlafzimmer verließen, warf ich einen kurzen Blick in das Zimmer gegenüber, dessen Tür offen stand. Drei Doppelbetten waren hineingeklemmt, darüber hinaus gab es keine weiteren Möbel.
    Unsere Schuhe klapperten auf der hölzernen Treppe, als wir zwei Etagen hinab zur Küche stiegen. Ich dankte Mrs Warren und sagte, dass alles überaus zufriedenstellend sei. Sie lächelte. Ihre Tochter sprach mit ihr und sie sagte: »Sí.« Ich musste die Frau noch untersuchen und eine geburtsmedizinische Anamnese machen, doch ging das selbstverständlich nicht, wenn wir einander nicht verstanden, und ich wollte keines der Kinder bitten zu übersetzen. Daher entschloss ich mich, noch einmal wiederzukommen, wenn der Ehemann zu Hause war. Ich fragte meine junge Hausführerin, wann das sei. Sie erwiderte: »Am Abend.« Ich bat sie, ihrer Mutter zu sagen, dass ich nach sechs Uhr noch einmal wiederkäme, und ging.
    An diesem Morgen hatte ich noch einige Besuche zu erledigen, doch meine Gedanken kreisten immer wieder um Mrs Warren. Sie war etwas Besonderes. Die meisten unserer Patientinnen waren aus London und in dieser Gegend zur Welt gekommen, genau wie ihre Eltern und Großeltern. Es gab kaum Ausländer und fast gar keine Ausländerinnen. Alle Frauen hier führten ein eng mit der Gemeinschaft verflochtenes Leben und standen miteinander in regem Austausch. Aber wenn Mrs Warren kein Englisch sprach, konnte sie kein Teil dieses freundschaftlichen Umfelds sein.
    Was mich zudem faszinierte, war ihre stille Würde; die meisten Frauen des East Ends, die ich kennenlernte, hatten etwas Lautes an sich. Und dann war da ihre südländische Schönheit. Die Frauen der Mittelmeerländer altern früh, besonders nachdem sie Kinder bekommen haben, und damals trugen sie noch für gewöhnlich von Kopf bis Fuß Schwarz. Diese Frau jedoch trug fröhliche Farben und sah keinen Tag älter als vierzig aus. Vielleicht lässt die starke Sonne die Haut im Süden schneller altern. Das feuchte Klima des Nordens hingegen hatte ihr ihre Haut bewahrt. Ich wollte mehr über sie herausfinden und nahm mir vor, den Schwestern beim Mittagessen ein paar Fragen zu stellen. Außerdem wollte ich Schwester Julienne wegen der »vierundzwanzigsten Schwangerschaft« aufziehen, wo sie doch sicher die vierzehnte gemeint hatte.
    Das Mittagessen war im Nonnatus House die Hauptmahlzeit des Tages und Schwestern wie Personal kamen dabei zusammen. Das Essen war einfach, aber gut. Ich freute mich immer schon darauf, denn ich hatte immer Hunger. Zwölf bis fünfzehn Frauen saßen jeden Tag gemeinsam am Tisch. Nach dem Tischgebet schnitt ich das Thema »Mrs Conchita Warren« an.
    Sie war unter den Schwestern bekannt, auch wenn es keinen großen Kontakt zu ihr gab, weil sie kein Englisch sprach. Offenbar hatte sie die meiste Zeit ihres Lebens im East End

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