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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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verbracht. Aber wie kam es dann, dass sie die Sprache nicht konnte? Die Schwestern wussten es nicht. Wir mutmaßten, dass sie es vielleicht nicht für nötig hielt oder einfach kein Talent zum Sprachenlernen hatte oder dass sie möglicherweise ganz einfach nicht sonderlich schlau war. An diesem letzten Vorschlag konnte durchaus etwas dran sein, denn ich hatte schon des Öfteren bemerkt, dass manche Menschen einen Mangel an Intelligenz einfach dadurch verbergen, dass sie nie etwas sagen. Ich musste an die Tochter des Erzdiakons von Trollope denken, der die feine Gesellschaft von ganz Barchester und London zu Füßen lag, die Loblieder auf ihre Schönheit und ihren betörenden Verstand sang, obwohl sie eigentlich zutiefst dumm war. Diesen beneidenswerten Ruf hatte sie sich allein dadurch erworben, dass sie auf vergoldeten Stühlen saß, schön aussah und nicht ein einziges Wort sprach.
    »Wie hat es sie denn überhaupt nach London verschlagen?«, fragte ich. Darauf wussten die Schwestern eine Antwort. Demnach war Mr Warren ein East Ender und ein Kind der Docks, dem der Beruf seines Vaters und seiner Onkel bereits in die Wiege gelegt worden war. Als jungen Mann hatte ihn jedoch irgendetwas zum Rebellen gemacht. Er wollte sich nicht in eine Form pressen lassen und riss aus, um im Spanischen Bürgerkrieg zu kämpfen. Er hatte wohl nicht die leiseste Ahnung, was er da tat, weil Außenpolitik in den 1930er-Jahren kaum je in das Bewusstsein der Arbeiterklasse vordrang. Politische Ideale spielten mit Sicherheit keine Rolle, und ob er für die Republikaner oder die Royalisten kämpfte, war ihm wahrscheinlich gleich. Er war auf der Suche nach Abenteuer, und ein Krieg in einem romantisch verklärten fernen Land war genau das Richtige für seinen jugendlichen Drang.
    Er überlebte mit Glück, doch er überlebte und kehrte mit einem schönen spanischen Bauernmädchen von elf oder zwölf Jahren zurück nach London. Mit dem Mädchen zog er wieder bei seiner Mutter ein und offenkundig lebten sie zusammen. Was seine Verwandten und Nachbarn von diesen schockierenden Verhältnissen dachten, lässt sich nur erahnen, aber seine Mutter hielt zu ihm und er war nicht der Typ, sich von einer Bande tratschender Nachbarn einschüchtern zu lassen. Wie dem auch sei, zurückschicken konnte er Conchita kaum, denn er hatte vergessen, woher sie stammte, und sie schien es auch nicht zu wissen. Abgesehen davon liebte er sie.
    Sobald es möglich war, heiratete er sie. Das war nicht leicht, denn sie besaß keine Geburtsurkunde und wusste nicht, wie ihr Nachname lautete, wann sie geboren war und wer ihre Eltern waren. Doch sie hatte inzwischen drei oder vier Babys bekommen und sah aus wie sechzehn, und da sie vermutlich römisch-katholisch war, ließ sich ein Priester überzeugen, die ohnehin bereits fruchtbare Beziehung zu segnen.
    Ich war gebannt. Das war der Stoff, aus dem wahre Liebesgeschichten sind. Ein Bauernmädchen! Sie sah gar nicht aus wie eine Frau vom Land. Sie sah eher aus wie eine Prinzessin vom spanischen Hof, enteignet von den Republikanern. Hatte sie dieser tapfere Engländer erst gerettet und dann entführt? Was für eine Geschichte! Alles an ihr war höchst ungewöhnlich und ich freute mich schon darauf, Mr Warren am gleichen Abend kennenzulernen.
    Dann erinnerte ich mich an die Kinder. Forsch sagte ich zu Schwester Julienne: »Endlich habe ich Sie bei einem Fehler ertappt. Sie haben im Tagesplan etwas von der vierundzwanzigsten Schwangerschaft geschrieben, wo Sie doch sicher die vierzehnte gemeint haben.«
    Schwester Juliennes Augen blitzten amüsiert: »Oh nein«, sagte sie, »das war kein Fehler. Conchita Warren hat tatsächlich dreiundzwanzig Kinder zur Welt gebracht und sie erwartet ihr vierundzwanzigstes.«
    Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Die ganze Geschichte war so hanebüchen, dass man sie kaum hätte erfinden können.
    Als ich wieder zu den Warrens kam, stand die Tür offen, also trat ich ein. Das Haus war voller junger Leute und Kinder. Am Morgen hatte ich nur die ganz kleinen Kinder und das eine ältere Mädchen gesehen. Nun waren alle Schulkinder und außerdem eine Reihe älterer Teenager zu Hause, die wahrscheinlich schon arbeiten gingen. Es war wie eine große Party, so fröhlich wirkten alle. Ältere Kinder trugen die kleinsten umher, manche spielten draußen auf der Straße, manche waren beschäftigt, wohl mit Hausaufgaben. Nichts deutete auf Unstimmigkeiten hin und bei keinem Zusammentreffen mit dieser Familie

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