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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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Untersuchung zu orientieren. Ein relativ kleines und ein relativ großes Baby können bei gleicher Schwangerschaftswoche vier bis sechs Wochen unterschiedlich alt wirken, also muss man seine Beobachtungen durch Daten ergänzen. Doch angesichts des etwa sieben oder acht Monate alten Babys, das ich unten gesehen hatte, schien es unwahrscheinlich, dass Conchita überhaupt ihre Periode gehabt hatte. Ich war nicht gewohnt, einem Mann solch delikate Fragen zu stellen. In den 1950er-Jahren sprach man in »gemischter Gesellschaft« nie über solche Dinge und ich spürte, wie ich feuerrot anlief.
    »Nö, hatte sie nich«, sagte er.
    »Könnten Sie sie bitte fragen; sie hat es Ihnen gegenüber vielleicht nicht erwähnt.«
    »Sie können mich beim Wort nehmen, Schwester, sie hat seit Jahren die Periode nich gehabt.«
    Dabei musste ich es bewenden lassen. Wenn es jemand weiß, dann er, dachte ich.
    Ich erwähnte unsere Vorsorgesprechstunde am Dienstag und dass wir es vorzögen, wenn unsere Patientinnen dorthin kämen. Er sah mich zweifelnd an. »Nun ja, sie geht halt nich gern raus, wissen Sie. Spricht halt nicht die Sprache un so. Und ich hätts nich so gern, wenn sie sich verläuft oder Angst kriegt. Un dann muss sie ja noch auf all die kleinen Kinder zu Hause aufpassen, nich wahr.«
    Ich merkte, dass ich nicht darauf bestehen konnte, und trug sie in die Liste für Hausbesuche zur Schwangerenvorsorge ein.
    Während der ganzen Zeit hatte Conchita kein Wort gesagt. Sie hatte nur gelächelt, sich ganz meinem Abtasten und Herumdrücken überlassen und zugehört, wie in einer fremden Sprache über sie gesprochen wurde. Elegant und voll Würde stand sie vom Bett auf und ging zu einer der Kommoden, um eine Bürste zu suchen. Ihr schwarzes Haar sah gebürstet noch schöner aus und ich konnte kaum eine graue Strähne entdecken. Sie richtete ihr rotes Haarband und wandte sich wieder voll stolzem Selbstvertrauen ihrem Ehemann zu, der sie in die Arme nahm und murmelte: »Da ist ja meine Con, mein Mädchen. Ach, du siehs’ zauberhaft aus, mein Schatz.«
    Sie lachte kurz zufrieden auf und kuschelte sich in seine Arme. Er küsste sie mehrfach.
    Es war in Poplar sehr ungewöhnlich, die Liebe zwischen Mann und Frau derart ohne Scheu zu zeigen. Ganz gleich, wie das Verhältnis untereinander war, vor anderen gaben sich die Männer stets raubeinig und gleichgültig. Anzügliches Kabbeln konnte man zwar oft zwischen Eheleuten beobachten, was ich immer sehr amüsant fand, aber niemand sprach offen von Liebe. Die zärtlichen, liebevollen Blicke, die sich Len und Conchita Warren zuwarfen, berührten mich sehr.
    In den folgenden vier Monaten kam ich noch viele Male zu ihnen ins Haus, um mir ein Bild von Conchitas Fortschritten zu machen. Ich ging immer abends, damit ich mit Len über den Verlauf der Schwangerschaft sprechen konnte. Darüber hinaus befand ich mich gerne in seiner Gesellschaft, mochte es, ihm zuzuhören, genoss die Atmosphäre in dieser glücklichen Familie und wollte mehr über alle erfahren. Bei Lens unstillbarem Mitteilungsdrang war das nicht schwer.
    Len war Anstreicher und Dekorateur. Er muss gut in seinem Beruf gewesen sein, denn neunzig Prozent seiner Aufträge bekam er »oben im Westen«. »Die Häuser der feinen Leute« waren seiner eigenen Schilderung nach sein Spezialgebiet.
    Drei seiner vier älteren Söhne arbeiteten im Geschäft ihres Vaters mit und offenbar mangelte es ihm nicht an Arbeit. Angesichts geringer Betriebskosten musste der Haushalt so ein hübsches Einkommen haben. Len arbeitete von zu Hause aus. Im Hinterhof stand ein Schuppen, wo er auch seinen Karren unterstellte.
    Handwerker hatten damals noch keine Lastwagen oder Transporter, in denen sie umherfuhren. Sie hatten Karren, gewöhnlich aus Holz und oft selbst gebaut. Lens Karren bestand aus dem Gestell eines alten Kinderwagens mit einer länglichen Holzkonstruktion darauf. Er war perfekt. Durch seine Federung war er gut beweglich und aufgrund seiner riesigen, gut geölten Räder leicht zu schieben. Wenn er zu einem neuen Auftraggeber aufbrach, beluden Len und seine Söhne den Karren mit ihrer Ausrüstung und schoben ihn bis ans Ziel. Manchmal mussten sie ihn zehn oder mehr Meilen weit schieben, aber das gehörte nun einmal alles zu ihrem Job dazu. So gesehen hatten Anstreicher und Dekorateure Glück, denn ein Auftrag beschäftigte sie rund eine Woche, sie konnten ihre Sachen vor Ort lassen und auf dem Rückweg die U -Bahn bis Aldgate nehmen.
    Klempner,

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