Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
Vom Netzwerk:
besonderen Anlässen.
    Doch sollte dieses schöne Zimmer jemals die gute Stube einer stolzen Hausfrau gewesen sein, sie wäre bei diesem Anblick in Tränen ausgebrochen. Etwa ein Dutzend Wäscheleinen war an einer Bilderhängeleiste angebracht, die gleich unterhalb einer wunderbaren Stuckdecke das Zimmer säumte. Alle Leinen hingen voller Wäsche. Das Licht fiel durch einen einzelnen verblassten Vorhang, der über dem Fenster offenbar festgenagelt war und verhinderte, dass man von der Straße her hineinschauen konnte. Dieser Vorhang ließ sich allem Anschein nach nicht zurückziehen. Der Holzboden war mit einer Ansammlung von Dingen bedeckt, die nach Müll aussahen. Kaputte Radios, Kinderwagen, Möbel, Spielzeug, ein Stoß Holzscheite, ein Sack Kohlen, die Überreste eines Motorrads, Werkzeuge, die wie die Ausrüstung eines Technikers aussahen, sowie Öl und Benzin. Außerdem standen auf einer Bank Dutzende Farbtöpfe und daneben Pinsel, Rollen, Lappen, Spiritusdosen, Flaschen mit Verdünner, Tapetenrollen, Töpfe mit eingetrocknetem Leim noch und eine Leiter. Jemand hatte eine Ecke des Vorhangs mit einer Sicherheitsnadel etwa 50 Zentimeter hochgesteckt, sodass genug Licht hereinfiel, um eine neu aussehende Singer-Nähmaschine auf einem langen Tisch zu beleuchten. Auf dem Tisch lagen Schnittmuster, Nadeln, Scheren und Baumwollgarn verstreut und außerdem, man mochte es kaum glauben, eine Bahn edler, teurer Seidenstoff. Neben dem Tisch stand eine Schneiderpuppe. Ebenso unglaublich erschien mir der einzige Gegenstand, der mich an die gute Stube meiner Großmutter erinnerte, nämlich ein Klavier, das an einer der Seitenwände stand. Es war aufgeklappt, man sah schmutzig gelbe Tasten, denen zum Teil die Elfenbeinbeläge fehlten, doch dann starrten meine Augen wie gebannt auf den Namen des Klavierbauers – Steinway. Unglaublich – ein Steinway-Klavier in solch einem Zimmer und solch einem Haus! Ich hätte es am liebsten ausprobiert, doch eigentlich suchte ich ja den Keller, aus dem der Lärm kam. Ich schloss die Tür und versuchte es mit dem zweiten Zimmer, das vom Flur abging.
    Aus diesem Zimmer führte eine Tür zur Kellertreppe. Ich stieg die hölzernen Stufen hinab und machte dabei möglichst viel Gepolter und Lärm, denn ich kannte hier ja keinen und wollte niemanden erschrecken. Ich rief laut: »Hallo!« Keine Antwort. »Jemand zu Hause?«, rief ich überflüssigerweise, denn daran bestand ja kein Zweifel. Noch immer keine Antwort. Unten stand eine Tür halb offen, also drückte ich sie auf und trat ein.
    Sogleich war es totenstill und ich bemerkte etwa ein Dutzend Augenpaare, die mich ansahen. Die meisten waren weite, unschuldige Kinderaugen, doch unter ihnen waren auch die kohlschwarzen Augen einer gut aussehenden Frau mit schwarzem Haar, das sich voll und schwer über ihre Schultern wellte. Sie hatte schöne Haut – hell, aber ein wenig getönt. Ihre wohlgeformten Arme waren nass vom Wäschewaschen und an ihren Fingern hing Seife. Obwohl sie offenbar gerade mit der nie enden wollenden Aufgabe des Wäschewaschens beschäftigt war, sah sie nicht ungepflegt aus. Sie war von großer, aber nicht übergroßer Statur. Ihre Brüste wirkten fest und ihre Hüften waren breit, aber nicht speckig. Eine Schürze mit Blumenmuster bedeckte ihr einfaches Kleid und das leuchtend rote Band, mit dem sie das dunkle Haar im Zaum hielt, betonte den angenehmen Kontrast zwischen ihrer Haut- und ihrer Haarfarbe. Sie war hochgewachsen und die Haltung ihres wohlgeformten Kopfes und ihres schlanken Nackens zeugten beredt von der stolzen Schönheit einer spanischen Contessa aus generationenaltem Adel.
    Weder sie noch die Kinder sprachen ein Wort. Ich wurde unsicher und fing an zu plappern, dass ich die Bezirkshebamme sei und dass niemand auf mein Klopfen geantwortet habe und dass ich mir die Zimmer wegen der Hausgeburt ansehen wolle. Sie gab keine Antwort. Also wiederholte ich mein Anliegen. Immer noch keine Antwort. Sie sah mich nur ruhig und gefasst an. Allmählich fragte ich mich, ob sie taub sei. Dann begannen auf einmal zwei oder drei ihrer Kinder gleichzeitig, mit ihr in rasantem Spanisch zu sprechen. Ein zartes Lächeln erfüllte ihr Gesicht. Sie trat auf mich zu und sagte: »Sí. Bebé.« Ich fragte, ob ich mir das Schlafzimmer anschauen könne. Keine Antwort. Ich schaute zu einem der Kinder hinüber, einem etwa fünfzehnjährigen Mädchen, das zuvor mit ihr gesprochen hatte. Sie redete wieder Spanisch mit ihrer Mutter, die darauf

Weitere Kostenlose Bücher