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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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Schwester Bernadette, würden Sie bitte das Schlussgebet sprechen?«
    Sie stand auf, sprach selbst ein leises Gebet, bekreuzigte sich und ging hinaus.
    Es fielen ein paar müde Bemerkungen, dass die Pflaumen noch ein bisschen zu fest seien und ob es bei den Abendbesuchen regnen würde oder nicht, aber wir fühlten uns alle unwohl und waren froh, als das Essen beendet war. Schwester Monica Joan stand auf, warf den Kopf majestätisch zurück und machte ein überdeutliches Kreuzzeichen, als das Tischgebet gesprochen wurde.
    Arme Schwester Evangelina! Sie war kein schlechter Kerl und vor allem verdiente sie es nicht, von Schwester Monica Joan derart gequält zu werden. Ihre Nase war, zugegeben, ein wenig rot, doch als »leuchtend« konnte man sie beim besten Willen nicht bezeichnen. Ihr Gemüt war ebenso schwerfällig und täppisch wie ihr Gang. Sie stapfte auf großen Plattfüßen daher. Sie knallte Gegenstände auf den Tisch, statt sie abzustellen. Sie plumpste auf ihren Stuhl, statt sich hinzusetzen. Ich hatte gesehen, wie Schwester Monica Joan all diese Eigenschaften mit zusammengezogenen Lippen beobachtete und ihren Rock zu sich heranzog, wenn sich die schweren Schritte näherten. Sie, die selbst so leicht und zierlich war und sich mit so viel Eleganz bewegte, schien die körperlichen Unzulänglichkeiten ihrer Mitschwester nicht hinnehmen zu können und nannte sie Waschweib oder Metzgersfrau.
    Außerdem kam Schwester Evangelina mit dem blitzschnellen Geist Schwester Monica Joans nicht mit. Sie dachte langsam und pedantisch und befasste sich nur mit praktischen Dingen. Sie war eine sorgsame, fleißige Hebamme und eine ehrliche und fromme Nonne, aber ich bezweifle, dass sie in ihrem Leben auch nur eine einzige originelle Idee hatte. Schwester Monica Joans Wissen und ihre Gedankenblitze, ihre Geistesgymnastik, bei der sie vom christlichen Glauben zu Kosmologie und von dort zu Astrologie und Mythologie sprang und das Ganze in ihrem vom Verfall bedrohten Hirn zu Versen und Prosa verrührte, all das war zu viel für Schwester Evangelina. Sie stand einfach mit offenem Mund da und sah dumm aus oder sie schnaubte vor Unverständnis und stapfte aus dem Zimmer.
    Schwester Evangelina hatte ohne Zweifel ihr Kreuz zu tragen und obendrauf hockte kichernd und zwinkernd Schwester Monica Joan, strampelte vor Freude mit den Beinen und machte freche Bemerkungen wie: »Ich glaub, es donnert – ach nein, das bist ja nur du, Liebes. Ich glaube, das Wetter ist heute etwas unbeständig, meine Liebe.«
    Schwester Evangelina konnte nur die Zähne zusammenbeißen und weitertrampeln. Aus Wortwechseln ging sie nie als Siegerin hervor, so sehr sie sich auch bemühte. Mit Sinn für Humor hätte sie eine solche Situation lachend überspielen können – aber ich habe Schwester Evangelina nie spontan lachen sehen, wenn jemand Scherze machte. Sie schaute erst auf die anderen, um sich zu versichern, dass es auch wirklich witzig war, und lachte, wenn die anderen lachten. Auch darüber spottete Schwester Monica Joan: »Es erklingen klingelnde Glöckchen und die Sterne lachen vor Freude. Die kleinen Cherubim klatschen mit den Flügelchen und lachen in himmlischer Harmonie. Schwester Evangelina ist so ein kleiner Cherub und ihr klingelndes Gelächter bimmelt das ewig sich wandelnde Universum in eine ewige Starre. Oder nicht, meine Liebe?«
    Darauf konnte die arme Schwester Evangelina nur mit betontem Ernst antworten: »Ich weiß nicht, was du mir sagen willst.«
    »Ach so fern, so fern, der helle Stern, die Frucht der Freude, der Verzweiflung Schale.«
    Schwester Julienne gab ihr Bestes, Frieden zwischen den beiden Schwestern zu stiften, ohne großen Erfolg. Kann man eine Neunzigjährige, deren Verstand langsam schwindet, zurechtweisen? Und konnte es etwas nützen? Ich bin mir sicher, dass sie sich ebenso wie ich fragte, wie viel daran lag, dass sie senil wurde, und wie viel wohlüberlegtes Zwietrachtsäen dahintersteckte. Sie konnte sich nie sicher sein und abgesehen davon blitzte Schwester Monica Joans Geist immer nur kurz auf und so schnell, dass man kaum etwas dagegen unternehmen konnte. Also litt Schwester Evangelina weiter. Das Ordensgelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams zu befolgen, ist sehr schwer. Doch noch schwerer ist die Aufgabe, tagein, tagaus unter Schwestern im Glauben zu leben.

Mary
    Sie musste es geplant haben und ihre Wahl war auf mich gefallen, als ich am Blackwall Tunnel aus dem Bus stieg. Es war gegen halb elf Uhr

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