Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End
lächelte ihn verträumt an.
Dann rief er wieder durchs Treppenhaus nach einem seiner Kinder: »Hier, Liz, nimm doch mal diese blutigen Laken und steck sie bitte in den Kessel, Liebes. Dann könnten wir mal über ne schöne Tasse Tee nachdenken, was?«
Er wandte sich wieder seiner Frau zu, nahm das Baby aus der Wiege und gab es ihr. Sie lächelte zufrieden, berührte den zierlichen Kopf und küsste das winzige Gesicht. Sie sagte nichts, sondern lachte nur voller Behagen in sich hinein.
Len war außer sich und begann wieder ohne Pause zu reden. Solange Conchita in Wehen lag, hatte er kaum etwas gesagt. Es war das einzige Mal, dass ich ihn so lange schweigend erlebt hatte. Doch jetzt konnte ihn nichts mehr bremsen.
»Oh, schaun Sie mal. Schaun Sie sich das nur an, Schwester. Is sie nich wunderschön? Schaun Sie mal, die kleinen Händchen. Da, sie hat schon Fingernägel. Oh, jetz macht sie den kleinen Mund auf. Du bis’ ja ne Süße. Sehn Sie, was für lange Wimpern, wie bei ihrer Mum. Besser gehts nich.«
Er war aufgeregt wie ein junger Vater, dessen erstes Kind gerade auf die Welt gekommen ist.
Er rief alle anderen Kinder nach oben und sie saßen rings um ihre Mutter herum und sprachen eine Mischung aus Spanisch und Englisch. Nur die Kleinkinder schliefen. Alle anderen im Haus waren wach und ganz aufgeregt.
Ich packte meine Ausrüstung zusammen und schlich mich still aus dem Zimmer, denn ich merkte, der Zusammenhalt und das Glück der Familie wären ohne mich sicher noch stärker. Len sah mich gehen und war so höflich, mich nach draußen zu begleiten. Als wir den Raum verließen, bemerkte ich, dass hinter uns allmählich wieder Spanisch gesprochen wurde.
Er dankte mir für alles, obwohl ich ja eigentlich nichts getan hatte. Als er meine Tasche die Treppe hinuntertrug, sagte er: »Kommen Sie, wir trinken noch ne schöne Tasse Tee zusammen, ja, Schwester?«
Während wir unseren Tee tranken, plauderte er glücklich drauflos. Ich sagte ihm, wie sehr ich seine Familie mochte und bewunderte. Er war ein stolzer Vater. Ich verriet ihm, wie beeindruckt ich war, dass sie alle so fließend Spanisch sprachen.
»Die Kinders sin schon ein cleverer Haufen. Schlauer als ihr alter Dad. Ich selber hab die Sprache nie gelernt.«
Mit einem Schlag begriff ich in überdeutlicher Klarheit das Geheimnis dieser gesegneten Ehe. Sie konnte kein Wort Englisch und er kein Wort Spanisch.
* Schimpfname für die Deutschen (Anm. d. Übers.).
Schwester Monica Joan
»Licht bildet die höhere Ebene – die niedrigere ist das Leben – und Licht wird zu Leben. Dann gibt es einen feurigen Blitz, eine Vision wird gewährt, ein goldener Moment des Opfers.«
Ich konnte ihrer wunderschön modulierenden Stimme den ganzen Tag lang zuhören – und sie betrachten, die Hände in Bewegung, ihre Augen mit den Schlupflidern, die Bögen ihrer hohen Augenbrauen, der Fall ihres Schleiers, wenn sie den Kopf und den langen Hals drehte. Sie war über neunzig und ihre Geisteskraft ließ nach, aber ich war völlig gebannt.
»Schimmernde Fragen, endlose Erwiderung, die astro-mentale Ebene des Menschen liegt im Äther. Das äußere Dunkel ist ein monströser Drache, der sich in den Schwanz beißt. Wusstest du das schon?«
Ich saß verzaubert zu ihren Füßen, schüttelte den Kopf und wagte nicht, etwas zu sagen, um den Bann nicht zu brechen.
»Das ist der kosmische Körper, der kritische Punkt, die Übersetzung der Parallelen, die dem neutralen Zentrum des Fluchtpunkts entgegenstreben. Hast du gesehen, wie die Wolken ziehen und dahinrollen, gerade wie Planeten? Und dann sehen wir Ihn kommen, durchbohrt. Ich bin der Dorn, der sich in Seine Schläfe bohrte. Findest du nicht auch, es riecht verbrannt, meine Liebe?«
»Nein, Sie etwa?«
»Ich glaube, Mrs B.s ahrimanisches Unterbewusstsein hat sie veranlasst, einen Kuchen zu backen. Lass uns immer mit Gott wandeln. Ich finde, wir sollten der Sache nachgehen, was meinst du?«
Ich hätte ihr lieber noch weiter zugehört, aber ich wusste, dass es – vorerst – kein Zurück gab, sobald der Bann gebrochen war. Und dem Geruch frischen Kuchens konnte Schwester Monica Joan nicht widerstehen. Sie lächelte anerkennend: »Das riecht wie einer von Mrs B.s Honigkuchen. Komm, beweg dich, sitz nicht nur herum.«
Sie sprang auf und lief mit schnellen, leichten Schritten, hoch erhobenem Kopf und durchgedrücktem Rücken in Richtung Küche.
Mrs B. drehte sich um, als sie eintrat. »Hallo, Schwester Monica Joan, Sie sind
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