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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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Und das bei der ganzen anderen Arbeit. Da werden die Kaplane viel zu tun haben.«
    Es erhob sich ein interessiertes, anerkennendes Gemurmel angesichts der Größe des Konfirmandenkurses und ich beobachtete Schwester Monica Joan, wie sie die Karotten mit dem Zeigefinger auf ihrem Teller hin und her schob. Sie hatte faszinierende Hände: kaum mehr als Knochen und Adern, überzogen mit durchscheinender Haut. Ihre Fingernägel waren meist lang, denn sie scherte sich nicht darum, sie zu schneiden, und weigerte sich, sie sich von jemand anderem schneiden zu lassen. Die Zeigefinger beider Hände waren ganz erstaunlich. Sie konnte das vorderste Glied beugen, während der übrige Finger gerade blieb. Ich beobachtete sie still dabei und versuchte es selbst, aber ich schaffte es nicht. Sie tunkte die Fingerspitze in die Soße und schleckte sie ab. Offenbar schmeckte sie ihr und ihr Gesicht erhellte sich ein wenig. Wieder tauchte sie ihren Finger ein. Inzwischen drehte sich die Unterhaltung um den bevorstehenden Flohmarkt.
    Schwester Monica Joan griff ihre Gabel und aß das Kartoffelpüree und die Soße, aber nicht die Karotten, und schob dann den Teller von sich weg, mit einem Seufzer, der klang, als hätte man ihr übel mitgespielt. Sie hatte offenbar nachgedacht. Sie drehte sich zu Schwester Evangelina um und sagte laut, aber im süßlichsten Tonfall: »Keats ist vielleicht nicht nach deinem Geschmack, aber magst du denn Lear, Liebes?«
    Schwester Evangelina betrachtete sie mit verständlichem Argwohn. Ihr Instinkt warnte sie vor einer Falle, aber sie verfügte über keinerlei sprachliche oder geistige Gewandtheit, nur über eine gewisse behäbige Ehrlichkeit. Sie lief in die Falle: »Wer?«
    Es war das Schlimmste, was sie sagen konnte.
    »Edward Lear, Liebes, einer unserer großartigsten komischen Dichter, ›Die Eule und das Kätzchen‹, du weißt schon. Ich dachte mir, du magst vielleicht besonders ›Der Dong mit der leuchtenden Nase‹, meine Liebe.«
    Alle hielten angesichts dieser Frechheit den Atem an. Schwester Evangelinas Gesicht wurde tiefrot und ein feuchter Glanz zeigte sich. Irgendjemand sagte: »Gib mir bitte mal das Salz«, und Schwester Julienne fragte schnell, ob jemand noch ein Kotelett möge. Schwester Monica Joan blickte erhaben zu Schwester Evangelina hinüber und murmelte vor sich hin: »Oh je, jetzt sind wir wieder bei Keats und den Tautropfen.« Sie nahm ihr Taschentuch und begann zu singen: »Gesing, gesang, gesungen, die Katz fiel in den Brunnen.«
    Schwester Evangelina, wehrlos in ihrer Wut, explodierte fast und schob knirschend ihren Stuhl zurück. »Ich glaube, das Telefon klingelt. Ich gehe mal ran«, sagte sie und verließ den Speisesaal.
    Die Atmosphäre war angespannt. Ich sah Schwester Julienne von der Seite an und fragte mich, was sie nun tun würde. Sie sah hochgradig verstimmt aus, konnte aber vor uns allen nichts zu Schwester Monica Joan sagen. Die übrigen Schwestern starrten peinlich berührt auf ihre Teller. Schwester Monica Joan saß aufrecht und hochmütig da, die Augen hinter ihren Schlupflidern verborgen, und bewegte keinen Muskel.
    Ich habe oft über sie nachgedacht. Ihr Verstand ließ offenbar nach, aber wie viel von all dem war Senilität und wie viel war schlichte Bösartigkeit? Diese unbegründete Attacke auf Schwester Evangelina war eine wohlüberlegte Gemeinheit. Warum tat sie so etwas? Angesichts ihrer weit über fünfzig Jahre der selbstlosen Hingabe bei der Pflege der Ärmsten der Armen hätte sie etwas von einer Heiligen an sich haben sollen. Stattdessen hatte sie gerade vor den Augen aller, einschließlich Mrs B., die gerade den Pudding gebracht hatte, ihre Mitschwester in voller Absicht gedemütigt.
    Schwester Julienne stand auf und nahm das Tablett. Sie musste sich ablenken und verteilte den Pudding. Schwester Monica Joan spürte, dass Ablehnung in der Luft lag. In der Regel bekam sie ihren Nachtisch zuerst und durfte sich das beste Stück aussuchen, doch an diesem Tag bekam sie ihre Portion als Letzte. Sie saß hocherhobenen Hauptes da und schien es nicht zu bemerken. Bei jeder anderen Gelegenheit hätte sie sich bitterlich beschwert, ihren Pudding verputzt und um Nachschlag gebeten. Nicht so an diesem Tag. Schwester Julienne nahm die letzte Schale in die Hand, gab etwas Reispudding hinein und sagte ruhig: »Reichen Sie das bitte an Schwester Monica Joan weiter.« Dann sagte sie: »Ich werde mal nach Schwester Evangelina sehen, wenn Sie mich bitte entschuldigen.

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