Callboys - Die Schönen der Nacht
Eggs zu hören, habt ihr Pech gehabt.“
Seine Erwähnung einer anderen örtlichen Musikattraktion brachte ihm mehr Beifall und weitere Kommentare ein, und er beschattete seine Augen mit der Hand, um die Menge vor sich besser sehen zu können, als er antwortete. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als er seinen Blick durch den Raum wandern ließ, aber es war dumm, mir einzubilden, er könnte mich, versteckt in der Dunkelheit, gesehen haben. Trotzdem stellte ich mir vor, dass seine Augen meine getroffen hatten und dass sein Lächeln nur für mich war.
Dass ich ihn schon einmal spielen gehört hatte, hatte mich nicht im Mindesten auf seinen Auftritt hier vorbereitet. Sam hatte eine tiefe, lässige Stimme, die an Simon und Garfunkel erinnerte. Seine Finger bewegten sich locker über den Gitarrensaiten und entlockten ihnen Songs, die schlicht klangen, wenn man nicht genau hinhörte. Er spielte Cover-Versionen bekannter Titel und sang einige Songs, von denen ich annehmen musste, dass er sie selbst geschrieben hatte, weil ich sie nicht erkannte.
Das Publikum liebte ihn, wahrscheinlich vor allem wegen der klugen, selbstironischen Anekdoten, mit denen er die Zuhörer zwischen den Songs unterhielt. Ab und zu nippte er an einer Flasche Wasser, er trank nichts Stärkeres, und viel zu bald kam er zum Schluss, indem er erklärte, er würde nun noch eine weitere Pause machen und in fünfzehn Minuten für seinen letzten Auftritt an diesem Abend zurück sein.
„Grace?“
Jack hatte etwas zu mir gesagt, doch ich war völlig abwesend, bis der Klang meines Namens mich in die Gegenwart zurückholte. „Hm?“
„Möchtest du noch etwas trinken?“
„Ja?“ Meine Blase protestierte. „Nur ein Sodawasser, bitte.“
Ich fischte in meinem Portemonnaie nach Geld, aber Jack winkte ab. Ich sah ihm hinterher, während er zur Bar ging. Wenn er vorbeiging, wandten sich Köpfe, Männer und Frauen sahen ihm nach, und ich dachte an das, was er mir über den Türsteher erzählt hatte.
Obwohl ich mich gerne meinen Fantasien über Jack und einen zweiten hübschen Knaben hingegeben hätte, die durch heiße Lippen miteinander verbunden waren, ließ meine Blase nicht zu, dass ich mich länger mit dieser Vorstellung beschäftigte. Ich schlängelte mich hinter dem Tisch hervor und folgte dem leuchtenden Pfeil, der in Richtung der Toiletten zeigte. Ich hatte eine Schlange erwartet, aber wer auch immer die Feuerwache umgebaut hatte, hatte gute Arbeit geleistet. Es gab mehrere Kabinen, und die Frauen bewegten sich in Rekordgeschwindigkeit hinein und wieder heraus.
Sam war zur Bühne zurückgekommen, aber er stand nicht darauf, sondern nur davor. Er war auch nicht allein. Sam hatte ein Groupie. Ich wünschte, ich könnte etwas Gemeines über sie sagen, doch abgesehen von ihren leuchtend goldenen Haaren und ihrem eng sitzenden T-Shirt sah sie nicht billig genug aus, um sie auseinanderzunehmen. Nein, was mich dazu brachte, die Lippen zu kräuseln, war die Tatsache, dass Sam mit ihr herumturtelte. Anders konnte man es nicht ausdrücken. Sie küssten sich nicht direkt. Und sie umarmten sich nicht. Nicht direkt. Er lehnte sich ihr unglaublich nah entgegen, als wollte er genau hören, was sie sagte, nur noch näher.
Körpersprache erzählt eine Menge.
Ich sprach seinen Namen aus, noch bevor ich wusste, dass ich es tun würde, und er wandte sich von der Blondine mit den strahlenden Augen ab, um mich volle fünf Sekunden anzustarren, bevor er lächelte.
„Grace. Hi! Du bist also gekommen.“
„Ich bin gekommen.“
Das Lächeln der Blondine verblasste, aber die Sterne in ihren Augen funkelten noch immer. Es wäre ein Klischee gewesen, wenn sie mir mit ihren Blicken Pfeile entgegengeschleudert hätte, obwohl ich darauf vorbereitet gewesen war. Stattdessen musterte sie mich nur prüfend, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Sam zu.
„Marnie, das ist Grace“, stellte Sam uns einander vor.
„Hi“, grüßte ich.
Wir gaben uns nicht die Hände.
Frauen wissen, wie man sich gegenseitig auf eine Art plattmacht, die Männer gar nicht bemerken, und Marnie war sehr gut darin. Sie dachte sogar an den kaum wahrnehmbaren Druck gegen seine Schulter, um ihn dazu zu bringen, sich ihr zuzuwenden, als sie sprach. „Ich liebe deinen Song ‚Captain Blackyards‘, Sam.“
„Captain … oh.“ Sam lachte.
Der Titel des Songs war „Cap on Backwards“. Das wusste ich, weil ich nicht nur zugehört, sondern auch auf seinen Mund geschaut hatte. Marnie
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