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Callboys - Die Schönen der Nacht

Callboys - Die Schönen der Nacht

Titel: Callboys - Die Schönen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Hart
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Rabbi zusammengepackt werden, und es musste dafür gesorgt werden, dass alle Trauergäste sich zurechtfanden. Schließlich musste ich meinen Job erledigen.
    Ich fuhr vorne im Leichenwagen mit, den Jared steuerte. Er hatte die Angewohnheit, leise vor sich hin zu summen und dazu mit den Fingern im Takt auf das Lenkrad zu klopfen. Normalerweise störte mich das nicht, doch an diesem Tag musste ich schließlich die Hand ausstrecken und die unablässige Bewegung seiner Finger beenden. Er sah mich fragend an.
    „Ist alles in Ordnung mit dir?“
    Ich nickte. „Sicher. Mir geht’s gut. Vergiss nicht, da vorne links abzubiegen.“
    Jared war noch nicht oft zum jüdischen Friedhof gefahren, doch er war gut in seinem Job. Er brauchte mich nicht, um ihm Anweisungen zu geben. Gutmütig, wie er war, sagte er nichts weiter zu meinem ungewohnten Verhalten und bog auf mein Zeichen hin links ab.
    An der Grabstätte stellten sich jene, die gekommen waren, um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen, rings um das in die Erde gegrabene Loch auf. In früheren Zeiten hatten mehrere Männer tagelang gearbeitet, um ein Grab zu schaufeln; nun wurde das mit einem Löffelbagger innerhalb einer halben Stunde erledigt. Auch hier war es nicht nötig, dass ich mich in der Nähe des Grabes aufhielt, wo der letzte Teil der Trauerandacht stattfand, und ich stellte mich ein wenig abseits von der Menge, während ich dem Rabbi zuhörte, der Psalm 91 zitierte und vor dem Sarg her zum offenen Grab schritt.
    „Es ist nicht gerecht, dass jemand an einem so wunderschönen Tag wie heute begraben wird.“
    Die Frau, die diese Worte sagte, während sie an mir vorbeiging, klammerte sich an den Arm eines älteren Mannes, der zustimmend nickte. Ich war froh, dass sie offenbar nicht mit mir gesprochen hatte. Ich hatte schon viele Begräbnisse erlebt, und es war immer besser, wenn am Tag einer Beerdigung schönes Wetter herrschte. Regen, Düsternis und Schnee machten alles nur noch schlimmer.
    Auf vielen der Grabsteine lagen Kiesel. Ich las die Namen, die in die Steine gemeißelt waren, während ich auf das Ende der Andacht wartete, damit ich die Trauergäste zurück zu ihren Wagen geleiten und ihnen die Richtung zeigen konnte, in die sie fahren mussten. Viele von ihnen würden mit in Mrs. Stewarts Haus fahren, um dort Shiva zu sitzen. Das ist die siebentägige Trauerzeit der Juden. In meiner sorgfältig zusammengestellten marineblauen Mappe befanden sich eine Wegbeschreibung und eine Erklärung des Fortgangs der Trauerfeierlichkeiten für die Teilnehmer.
    Eine Figur in Schwarz schob sich seitlich in mein Blickfeld, trat aber nicht zu den Menschen, die um das Grab versammelt waren. Es war ein Mann. Er sprach mit dem Rabbi mit. Ich wusste nicht, was die Worte bedeuteten. „Yitgadal v’yitkadash sh’mei rabbah“ , doch ich verstand das gemurmelte „Amen“.
    Ich wandte den Kopf. Es war Sam. Er trug ein weißes Hemd, dessen Kragen offen stand und nicht von einer Krawatte zusammengehalten wurde. Sein schwarzer Anzug war sportlich geschnitten und wirkte daher etwas unpassend, aber er hatte sich rasiert und sich das Haar aus der Stirn gekämmt. Im Sonnenlicht funkelte der Diamant in seinem Ohrläppchen. Er sah starr geradeaus, während sich sein Mund zu den Worten des Gebets bewegte.
    Ich sagte nichts. Er sah mich nicht an. Die Andacht endete, und ich widmete mich der Aufgabe, dafür zu sorgen, dass jeder wusste, wohin er sich nun begeben musste.
    Der Streit begann, als die Trauernden anfingen, in ihre Autos einzusteigen. Ich hatte die Beerdigungsfahnen eingesammelt und die Anweisungen über die nächsten Schritte nach der Beerdigung verteilt und machte gerade Anstalten, die Tür des Wagens der Stewarts zu schließen, als Dan wieder vom Fahrersitz sprang.
    Im Gegensatz zu seinem Bruder hatte er sich nicht rasiert, und sein Haar war zerzaust. Seine Jacke hatte auf der linken Brusttasche einen ausgefransten Riss, was ein Teil der jüdischen Trauerriten beim Tod eines Elternteils war. Fast im selben Augenblick stieg auch seine Frau aus dem Auto, doch er schüttelte ihre Hand ab, die sie ihm auf den Arm legen wollte.
    „Beruhige dich, Danny“, sagte Sam hinter mir. „Ich habe Ma schon gesagt, dass ich meinen Wagen nehme. Ich treffe euch dann im Haus.“
    Als ich mich plötzlich zwischen den beiden Brüdern wiederfand, trat ich hastig zwei Schritte zur Seite. Dan sah mich nicht an, doch Sam tat es. Ebenso wie Dans Frau. Sie streckte wieder die Hand nach Dan aus,

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