Callboys - Die Schönen der Nacht
hervor.
Shelly hatte schon immer dazu geneigt, zu weinen, wenn sie Stress hatte, aber normalerweise beherrschte sie sich ein wenig mehr. Sie wischte mit einer Handvoll Taschentücher in ihrem Gesicht herum, doch damit konnte sie die Tränenflut, die über ihre Wangen strömte, nicht aufhalten.
„Geht es um Jared?“
„Nein!“
„Um Duane?“, fragte ich so sanft, wie ich nur konnte.
„Nein. Ja. Beides.“ Sie sah zu mir hoch. „Was habe ich mir nur gedacht?“
Ich reichte ihr ein weiteres Taschentuch. „Das weiß ich nicht, Shelly. Dass du ihn magst? Dass er dich mag?“
„Ja, aber … Verdammt.“ Sie richtete sich auf ihrem Stuhl auf und fuhr sich mit einem Tuch über das Gesicht. Nachdem sie das bisschen Make-up, das sie trug, abgewischt hatte, sah sie noch jünger aus als sonst. „Ich bin so verwirrt.“
Das hatte sie schon einmal gesagt, aber ich konnte ihr keinen Vorwurf machen, dass sie es wiederholte. „Lass mich dich etwas fragen.“
Sie sah mich von unten an, und ihre hoffnungsvolle Miene zeigte mir, dass ich die Sache so gut wie möglich machen musste. „Sicher“, erwiderte sie leise.
„Bist du … glücklich?“
Ich war mir nicht sicher, wie ich geantwortet hätte, wenn mir jemand diese Frage gestellt hätte, aber Shelly schüttelte einfach nur den Kopf. „Nein!“
„Und – zeigt dir das nicht etwas?“
„Es zeigt mir eine Menge“, antwortete sie und brach erneut in Tränen aus.
Ich brauchte wirklich dringend eine Dusche und frische Kleider. Und auch ein Bier. Oder zwei. „Komm mit zu mir nach oben, Shelly, okay? Ich muss dringend etwas essen. Keine Kekse“, fügte ich rasch hinzu, bevor sie mir welche anbieten konnte. „Komm mit nach oben. Dann können wir über die Sache reden.“
In meinem Apartment schluchzte sie auf meiner Couch vor sich hin, während ich eine gefrorene Pizza heiß machte und zwei Flaschen Tröegs Weißbier öffnete. Ich reichte ihr eine davon und tauschte im Schlafzimmer meinen Hosenanzug gegen Jeans und T-Shirt. Wieder einmal musste meine Dusche warten. Als ich wieder herauskam, hatte Shelly schon ihr halbes Bier hinuntergestürzt und es geschafft, lange genug mit dem Weinen aufzuhören, um meinen Tisch mit Tellern und Papierservietten zu decken.
Genau in diesem Moment gab der Backofen sein Signal, und ich holte die Pizza heraus und schnitt sie in Stücke. Shelly nahm sich eines, aß es aber nicht, während ich mein Stück herunterschlang und mir gleich das nächste nahm. Als die Leere in meinem Magen nachließ, trank ich etwas von meinem Bier und lehnte mich dann mit einem Seufzer auf meinem Stuhl zurück.
„Er ist ein netter Kerl, Shelly.“ Ich sagte nicht, welchen der beiden Männer ich meinte. Es spielte auch eigentlich keine Rolle. Sie waren beide nette Kerle; zwar mochte ich Jared viel lieber, aber ich war ja auch parteiisch.
„Ja.“ Shelly nickte und presste sich eine Hand vor ihre vom Weinen geschwollenen Augen. „Ich weiß.“
„Sieh mal, ohne ins Detail zu gehen …“
„Ich hatte Sex mit ihm“, rief Shelly. Sie schob ihr Kinn vor, ihre Lippen zitterten, aber ihre Stimme war klar und kräftig. „Ich habe es nicht mehr ausgehalten, und da habe ich es einfach … getan.“
Rasch stürzte ich mehr Bier hinunter, um die Tatsache zu verbergen, dass mir kurzfristig die Kinnlade heruntergeklappt war und ich mit offenem Mund dasaß. Prompt geriet mir das Bier in die falsche Kehle, sodass ich furchtbar husten musste. Shelly klapperte verwirrt mit den Lidern und rieb sich die Augen, es gelang ihr aber, die Tränen zurückzuhalten, indem sie selber auch einen großen Schluck Bier nahm.
„Ich bin …“
“Überrascht?“, unterbrach sie mich. „Warum? Weil er es mit mir getan hat?“
„Nein, natürlich nicht …“
Mit der flachen Hand schlug Shelly auf den Tisch. „Die Typen vögeln alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist, Grace, und außerdem habe ich ihm gesagt, dass er mir einen Gefallen tut.“
„Warum sollte ich denken, dass er nicht mit dir würde … schlafen wollen, Shelly?“ Das V-Wort schien aus irgendeinem Grund nicht der Ausdruck zu sein, der zu meiner hübschen kleinen Büroleiterin passte. „Warte mal … Gefallen?“
Sie schob ihr Kinn noch weiter vor, und ihre Lippen wurden schmal. „Ja. Ich habe ihm gesagt, er würde mir einen Gefallen tun. Wie soll ich wissen, ob ich den Rest meines Lebens mit Duane verbringen will, wenn ich niemals Sex mit einem anderen Mann hatte? Wie soll ich denn wissen, ob
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