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Calling Crystal

Calling Crystal

Titel: Calling Crystal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joss Stirling
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beide im selben Boot, ich allerdings nicht freiwillig.«
    Ich bereute meine Worte sofort. Die Contessa kniff die Lippen zusammen und in ihren Augen spiegelte sich etwas, was aussah wie Abscheu. Schlagartig fühlte ich mich mehrere Hundert Jahre zurückversetzt und wusste auf einmal genau, was in einem Bauern vorgegangen war, der den Zorn der Gräfin erregt hatte.
    »Wir sitzen nicht im selben Boot, Crystal. Diamond hat unrecht. Ich benutze meine Fähigkeiten ständig – aber das wirst du noch herausfinden. Die Leute vergessen bloß, dass ich diese Fähigkeiten besitze – das ist der Unterschied.«
    Mir war ihr Verhalten ein bisschen unheimlich. Ich beschloss, wieder zu meiner Schwester zurückzugehen. »Tut mir leid, wenn ich Ihnen zu nahe getreten bin, Contessa. Das erklärt natürlich alles.«
    Ihre klauenartige Hand umfasste meinen Oberarm. »Geh nicht. Der beste Teil kommt gleich noch. Das willst du dir auf keinen Fall entgehen lassen.«
    »Was passiert hier?« Ich blickte auf und sah, dass sich der Diener und der Butler an den Türen postiert hatten.
    »Mein Sohn ist dank der Benedicts in London festgenommen worden. Ein Graf von Monte Baldo in einem italienischen Gefängnis – das ist nicht hinnehmbar! Diamond hat mir zur perfekten Rache verholfen.«
    Mehr brauchte ich nicht zu hören.
    »Diamond!«, schrie ich und riss mich von der alten Dame los. »Hau ab!«
    »Dafür ist es zu spät.« Die Contessa gab dem Diener ein Zeichen, dass dieser mich festhielt.
    »Crystal, was ist denn los?« Diamond wollte zu mir kommen, aber der Butler stellte sich ihr in den Weg und schubste sie zurück auf ihren Stuhl. Diese beiläufige Geste der Gewalt wirkte wie ein Schock nach diesem eleganten Abend.
    Die Contessa zeigte mit ihrem Gehstock auf Diamond, Sky, Phoenix und Karla. »Mein Preis steht fest. Ihre Seelenspiegel für die Freiheit meines Sohnes. Wir haben vier von ihnen in unserer Gewalt. Die Benedicts werden alles dafür geben, um sie zurückzubekommen.«
    »Die Frau ist wahnsinnig!«, stotterte Karla. »Phoenix,Sky, tut doch etwas!« Sie schloss die Augen, um einen telepathischen Notruf an ihren Mann abzusetzen.
    »Zu spät!«, erklärte Contessa Nicoletta. »Viel zu spät.« Sie legte sich die Hände an die Schläfen und ich spürte die Kraftwelle, die von ihr ausgehend den Raum überspülte. Ich ging auf die Knie nieder: Sie führte eine Art telepathischen Angriff aus, drängte sich gegen unseren Geist wie eine Flutwelle. Die Contessa packte den Haarknoten an meinem Hinterkopf und zog mich zu sich herum.
    »Als ich jünger war, Kind, habe ich mich selbst die Eliminiererin genannt. Du wirst dich nicht mehr daran erinnern, warum.«
    Dunkelheit.

Kapitel 10
    Ich erwachte, als mir eine Welle aufs Gesicht schwappte. Dummerweise nahm ich einen Schluck davon, rollte seitwärts auf meine Knie und spuckte Meerwasser, Kies und Muschelreste aus.
    Himmel, war mir kalt!
    Ich rieb mir die nackten Arme und schlang sie mir um den Körper.
    Wo war ich? Oder um’s genau zu sagen: Wie war ich hierhergekommen?
    Ich öffnete meine brennenden Augen und sah einen schlammigen Strand, der sich vor mir erstreckte, und dahinter niedrige Dünen mit rötlichem Seegras, einen kahlen bleigrauen Himmel. Meine einzige Gesellschaft waren Seevögel. Eine riesige Möwe pickte ein paar Meter weiter an einer leeren Krabbenschale und ließ sich nicht stören von der Fremden im blauen Abendkleid, die in ihr Revier vorgedrungen war. Ich roch wirklich seltsam – fischig, und das lag sicher nicht am Parfüm, das ich gestern Abend aufgelegt hatte.
    Diamonds Party. Bruchstückhaft kehrte die Erinnerung zurück. Mach schon, Gehirn, komm in die Gänge! Ich hatte natürlich gewusst, dass es bei den Partys vor der Hochzeit ziemlich wild zugehen konnte, mit viel zu viel Alkohol und einem Bräutigam, der sich auf dem Markusplatz nackt an eine Säule gefesselt wiederfand oder ohne Rückflugticket im Flieger nach Rom, aber das hier ergab überhaupt keinen Sinn. Ich konnte mich nicht daran erinnern, etwas Alkoholisches getrunken zu haben – ich war viel zu beschäftigt damit gewesen, für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Diamond war ganz sicher nicht die Sorte von Schwester, die zum Spaß meine Drinks mit Alkohol gepimpt hatte, um mich dann allein an einem Strand zurückzulassen.
    Ich blickte mich suchend nach irgendwelchen Anhaltspunkten um. Ich wusste, dass die Nacht in Venedig begonnen hatte. Und das Meer vor mir sah auch aus wie die Adria. Vielleicht

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