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Calling Crystal

Calling Crystal

Titel: Calling Crystal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joss Stirling
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Mannes, das neben dem Kamin hing. Er hatte die markanten Züge und das glatt zurückgegelte Haar eines umschwärmten Leinwandhelden aus den Fünfzigern. »Ich hatte einen Seelenspiegel. Meinen Mann. Er ist gestorben.«
    »Oh, das tut mir leid.«
    »Nein, tut es nicht.« Zum ersten Mal zeigte sie wahre Gefühle; sie knetete den Kopf ihres Gehstocks und pochte mit seiner Spitze auf den Boden. »Du hast keine Ahnung, wie das ist – den besten Teil von sich selbst zu verlieren. Es ist viel besser, dieses Glück nie zu erfahren, als für den Rest des Lebens mit diesem Verlust zurechtkommen zu müssen.«
    »Wenn Sie wissen, wie schmerzvoll das ist, warum tun Sie es dann meiner Familie an?« Ich konnte nicht verstehen, warum ein Mensch andere mit den gleichen Schmerzen quälen wollte, die er selbst erleiden musste.
    »Ach, die Frauen leiden nicht.« Sie fuhr verächtlich mit der Hand durch die Luft. »Ich habe die Verbindungen zu ihren Partnern beschnitten, habe sie weggeräumt, wenn du so willst, damit sie keinen Schaden mehr anrichten können. Nur die Männer leiden – das ist meine Rache.«
    »Aber sehen Sie denn nicht, dass die Mädchen so nur ein halbes Leben leben?«
    »Du hast ja keine Ahnung«, sie spie mir die Worte entgegen, »was ein Leben, das angefüllt ist mit dem verzehrenden Verlangen nach etwas, was man nicht haben kann, mit einem macht.«
    Ich konnte es mir denken: Es brachte verbitterte Seelen hervor, so wie die, die mir gegenübersaß.
    »Aber sollten die Mädchen diese Entscheidung nicht selbst treffen, und nicht Sie?«
    »Unsinn. Als Seelensucher trifft man diese Entscheidung doch ständig für die anderen. Warum glaubst du eigentlich, dass du ihnen damit etwas Gutes tun wirst?«
    Die Erkenntnis traf mich wie ein Keulenschlag. »Wie? Wollen Sie damit etwa sagen, dass Sie auch ein Seelensucher sind?« Das würde einiges erklären.
    »Natürlich. Wir Seelensucher sind die Einzigen, die die Macht besitzen, die Seelenspiegel-Verbindung zu manipulieren. Ich dachte, das wüsstest du?«
    Sie gab mir das Gefühl, furchtbar einfältig zu sein. »Ich bin ein Neuling auf diesem Gebiet. Ich weiß noch nicht sehr viel darüber.«
    »Da hast du Glück. Du konntest mit deiner Gabe noch keinen Schaden anrichten; es ist noch nicht zu spät für eine Umkehr.«
    »Aber ich möchte Menschen glücklich machen, möchte helfen, dass sie sich vollständig fühlen.« Ich erinnerte mich an das Gefühl, das ich empfand, wenn ich mit Xav zusammen war – selbst mit ihm zu streitenwar, wie einen Film in HD anzuschauen, verglichen mit den stumpfen Gefühlen in Schwarz-weiß, die ich für andere Jungen empfunden hatte. Ich könnte und würde ihn niemals aufgeben.
    »Was wirst du tun, wenn ein Savant, der sich Hilfe suchend an dich wendet, keinen Seelenspiegel mehr hat – wegen Krankheit, Unfall oder Krieg? Das ist kein theoretisches Gedankenspiel; genau das wird passieren.«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Oder wenn der gefundene Seelenspiegel aufgrund der Verhältnisse, in denen er groß geworden ist, vollkommen zerstört ist oder wenn er womöglich an einer Geisteskrankheit leidet und dadurch ein Zusammenleben mit ihm unmöglich, ja sogar gefährlich ist? Würdest du solche Paare ein Leben lang aneinander binden?«
    »Ich … ich bin nicht sicher. Aber ist es an mir zu entscheiden, was ein Savant aus der Entdeckung seines Seelenspiegels macht?«
    »Wenn du die Tür aufstößt, bist du auch dafür verantwortlich, was hindurchkommt. Hast du den Mut, dich dieser Sache zu stellen? Du glaubst, du würdest Träume wahr werden lassen; aber vielleicht beschwörst du auch nur einen Albtraum herauf.«
    Sie kratzte unermüdlich an meiner Überzeugung, dass meine Gabe ein Segen war; ich hatte noch nie viel Selbstvertrauen besessen und sie hatte diesen Schwachpunkt erkannt. Über ihre Fragen nachzudenken war sicher lohnenswert, aber nicht jetzt; ich konnte michnicht mit hypothetischen Schmerzen auseinandersetzen, wenn das Leid nicht weit von hier in diesem Augenblick real war. Mir ging auf, dass sie versuchte, mich von dem eigentlichen Grund meines Kommens abzubringen; ich musste den Spieß irgendwie umdrehen.
    »Ich weiß nicht, was ich dann tun werde, Contessa, aber Sie können nicht leugnen, dass ich den Mut aufgebracht habe, herzukommen und mich Ihnen zu stellen. Ich glaube, an Mut fehlt es mir also nicht.«
    Sie nickte. »Das lässt mich für dich hoffen.«
    Ich dachte an meine Eltern; mein Vater war tot und doch hatte ich meine Mutter

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