Calling Crystal
Verwunderungüber mein tränenüberströmtes Gesicht nicht anmerken. »Die Contessa wird Sie jetzt empfangen.«
Ich nickte und wischte mir mit dem Ärmel über die Wangen. Ich muss Schluss machen, Xav. Ich muss mich auf das konzentrieren, was ich ihr sagen will.
Jetzt war Xav verzweifelt. Bitte, tu das nicht. Kehr um. Verschwinde von dort. Ich komme dich holen.
Es ist zu spät. Ich bin jetzt hier.
Wut brachte unsere Verbindung zum Vibrieren, so wie bei einem Erdstoß.
Schön. Dann mach halt unser gemeinsames Leben mit deinem idiotischen Plan kaputt! Aber denk bloß nicht, dass ich hier rumsitzen und darauf warten werde, dass du zurückkommst. Vielleicht habe ich ja meine eigenen Pläne, die ich nicht mit dir teilen möchte, wie zum Beispiel, keine Ahnung, dass ich mich in ein Haifischbecken werfen werde.
Ich liebe dich, Xav.
Untersteh dich, das zu sagen! Du liebst mich nicht – nicht, wenn du mir das antun kannst. Er kappte abrupt unsere Verbindung und ließ mich zurück, so tief getroffen und verletzt, dass ich kaum atmen konnte.
»Crystal, ich muss gestehen, ich bin in hohem Maße überrascht, dich hier zu sehen.« Die Gräfin saß am Kamin, die Füße auf einen Hocker hochgelegt. Ich hatte nicht das Gefühl, in diesem Augenblick der Konfrontation mit ihr gewachsen zu sein, aber ich musste die Sache jetzt durchziehen.
»Haben Sie sonst noch einen Wunsch, Mylady?«, fragte der Butler.
»Nein, im Moment nicht, Alberto. Aber bleiben Sie in der Nähe.«
Er verneigte sich kurz und schlüpfte aus dem Zimmer.
Ich biss mir auf die Innenseite der Wangen und zwang mich dazu, meine Aufmerksamkeit auf die Frau vor mir zu richten und nicht auf den wütenden Seelenspiegel am anderen Ende der Mentalleitung. »Contessa. Danke, dass Sie mich empfangen.«
Sie winkte mich zu einem Stuhl herüber, der ihr gegenüberstand. Ich setzte mich. Sie musterte mein Gesicht. »Eine interessante Taktik. Hierherzukommen. Was auch immer du damit bezwecken willst.«
»Ich möchte Ihnen einen Handel vorschlagen.«
Sie faltete ihre Hände im Schoß. »Was hast du mir denn anzubieten? Ich hätte gedacht, es ist klar, dass wir diese Sache bis aufs Blut ausfechten werden, sozusagen. Ein interessanter Schachzug, mit diesem Schauspieler an die Öffentlichkeit zu gehen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber genauso wenig hatte ich damit gerechnet, dass du hier aufkreuzt mit einem Friedensangebot, wie du’s wohl bezeichnen würdest, hab ich recht?«
»Ja.«
»Hm. Möchtest du etwas trinken?« Sie nahm eine kleine Glocke vom Beistelltisch.
»Nein, danke.«
Sie ließ ihre Hand sinken. »Na schön, dann reden wir eben übers Geschäftliche.«
Ich holte tief Luft. »Ich bin ein Seelensucher. Ichbiete Ihnen an, den Seelenspiegel Ihres Sohnes sowie die Ihrer Enkel ausfindig zu machen – unter der Voraussetzung, dass Sie mir sagen, was Sie mit meiner Schwester und den anderen Mädchen angestellt haben.«
Abgesehen davon, dass sich in ihren dunklen Augen für einen Moment leise Überraschung spiegelte, zeigte sie auf meine Worte keine Reaktion. Stattdessen legte sie ihre Fingerspitzen aneinander und schwieg.
Was sollte ich noch sagen? »Es ist mir klar, dass Sie dieses Spiel spielen, um es uns heimzuzahlen: Die Benedicts sollen die gleiche Schande und den gleichen Verlust erfahren wie Sie. Aber wenn ich Ihnen nun einen Preis anbiete, der Sie dafür entschädigt, dass Sie den Benedicts nicht die Seelenspiegel wegnehmen? Wenn nun Ihre Familie dafür ihre Seelenspiegel bekäme?«
Ich wartete.
»Du bist wirklich sehr viel interessanter, als ich zuerst dachte«, überlegte die Contessa. »In ein paar Jahren, wenn die Erfahrung dich mürbe gemacht hat, könntest du sogar eine würdige Gegnerin sein.«
Nicht die Antwort, mit der ich gerechnet hatte. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»Nein, das kannst du wohl auch nicht. Es gibt noch so vieles, was du nicht begreifst. Du stehst am Rande deiner Begabung wie ein Kind am Ufer mit den Zehen im Wasser und schaust über das Meer.«
»Aber Sie wollen doch bestimmt, dass Ihr Sohn und Ihre Enkel glücklich werden?« Auch wenn Sie eine bösartige alte Schabracke sind, lautete der Subtext.
Sie strich sich mit ihren knotigen Fingern über den Handrücken. »Und du meinst also, sie wären glücklich mit ihrem Gegenstück?«
»Ja.« Ich wünschte, das Wort hätte mehr nach einer Feststellung als nach einer Frage geklungen.
Sie drehte sich auf ihrem Stuhl um zu dem Porträt eines gut aussehenden
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