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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen
Autoren: Jacqueline Kelly
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von seinem Los und verschlief den Großteil des Tages auf der Veranda. Von Zeit zu Zeit fuhr er aus seinen Träumen hoch, um eine Fliege zu fangen, dann ließ er sich mit einem langen glücklichen Seufzer wieder zu Boden sinken. Ich stellte mir gern vor, dass er von Enten und Tauben träumte und auf die Jagdsaison wartete, wenn auf einmal wieder Leben in ihn kam und er ein paar Wochen lang schwer schuftete.
    Und noch einen guten Grund hatte Ajax, mit seinem Los zufrieden zu sein: Er war der einzige unter den Hunden, der ins Haus durfte. Die anderen – Homer, Hero und Zeus – hatten striktes Hausverbot. Das wussten sie genau, doch es hielt sie nicht davon ab, gutmütig die Haustür zu belagern, wann immer sie aufging, wirklich jedes Mal, trotz der Tatsache, dass sie nie, nie, nie ins Haus gelassen wurden. Diese Eigenschaft liebte ich ganz besonders an den Hunden: Ihr Leben lang wurde ihnen der Zutritt verwehrt, und trotzdem starb die Hoffnung in ihren Herzen nie.
    Mit Sicherheit glaubten die Hofhunde, dass Ajax das Leben eines verwöhnten Schoßhündchens führte, sobald er es durch die magische Tür geschafft hatte. Sie ahnten nicht, dass er bei diesen eher seltenen Gelegenheiten, wenn er für sauber genug, trocken genug, flohfrei genug befunden wurde, um ins Haus zu dürfen, in eine Ecke der Eingangshalle verbannt war. Er durfte weder das Empfangszimmer betreten noch nach oben gehen. Trotzdem beruhte auf diesem Privileg eine ganze Hackordnung, und er war der alleinige Herrscher unter den Hunden. Alle waren sie freundliche, friedliche Tiere (andere hätte Vater auch nicht geduldet), auf denen meine kleinen Brüder gefahrlos herumklettern konnten, solange sie sie nicht zu sehr an den Ohren zogen. Wenn das allerdings passierte, verzogen sich die Hunde gekränkt und krochen unter die Veranda, wo sie außer Reichweite waren. Manchmal liefen sie auch schnüffelnd ums Laboratorium, doch selbst wenn Großpapa die Hunde wirklich gern zu mögen schien, so ließ er sie doch nie herein. Wenn ich es mir recht überlege – er ließ auch nie einen Menschen herein, keinen außer mir.

 
     
     
    Fünftes Kapitel
     
    DESTILLIEREN
     
    Wir haben gesehen, dass der Mensch durch Auswahl zum Zwecke der Nachzucht große Erfolge sicher zu erzielen und organische Wesen seinen eigenen Bedürfnissen anzupassen im Stande ist … Aber die natürliche Auslese ist … unaufhörlich tätig und des Menschen schwachen Bemühungen so unermesslich überlegen, wie es die Werke der Natur überhaupt denen der Kunst sind.
     
     
    Eines Abends, als ich Großpapa in seinem Laboratorium besuchte, zeigte sich, dass er eine Art Durchbruch erzielt hatte bei seinen Versuchen, Whiskey zu brennen. Er hielt eine kleine Glasflasche ans Licht und betrachtete nachdenklich ihren Inhalt.
    »Calpurnia«, sagte er, »was wir hier haben, könnte man möglicherweise als annähernd trinkbar bezeichnen. Versteh mich nicht falsch, damit will ich nicht sagen, es sei bereits gut – aber immerhin ist es nicht mehr ekelhaft. Das ganze andere Zeug« – er zeigte zu den Reihen verkorkter Flaschen hinüber – »taugt, wie ich das sehe, gerade mal dazu, völlig verdreckte Schiffsrümpfe zu scheuern. Das hier ist auch noch nicht richtig gut, aber –«
    »Wieso ist das jetzt besser?«, wollte ich wissen.
    »Beim vierten Destillieren habe ich zum Filtern eine Mischung aus Holzkohle, Eierschalen, den grünen Hüllen der Pekannuss und Kaffeesatz genommen. Ich glaube, ich werde das hier mal eine Weile in Eiche lagern, mal sehen, was passiert.«
    Da keines der bisherigen Ergebnisse für würdig befunden wurde, auf diese Weise konserviert zu werden, war dies wirklich ein großer Schritt. Großpapa goss die Flüssigkeit in ein winziges Eichenfässchen von der Größe eines Brotlaibs.
    Dann wandte er sich zu mir um. »Verzeihung«, sagte er, »ich vergaß, dir auch etwas anzubieten. Würdest du ein Schlückchen kosten und mir sagen, was du davon hältst?«
    Er reichte mir eine winzige Menge, einen Fingerhut voll. Ich schnupperte vorsichtig daran. Es roch stark nach Pekannuss, was ich beruhigend fand, und schwach nach etwas anderem, was an Kerosin erinnerte und weniger beruhigend war. Er schien vergessen zu haben, wie alt ich war – nämlich erst elf-drei-viertel-so-gut-wie-zwölf.
    »Es ist leichter, wenn du dir die Nase zuhältst und es dann in einem Zug runterkippst«, sagte Großpapa.
    Ich kniff mir die Nase zu und schüttete mir das Zeug entschlossen in die Kehle.
    So viel kann
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