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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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Strafe fürs Heucheln.
    »Stimmt«, sagte er, »sie ist einfach großartig. Ich wusste, du würdest sie mögen, wenn du sie erst einmal kennenlernst. Köstlich, diese Trüffel. Gib mir noch einen!«
    Blind, dachte ich. Blind bist du.
    Im selben Moment stürzte Miss Goodacre in den Salon, nervös und erhitzt. Eilig ging sie auf ihre Tante zu, und die beiden flüsterten aufregt miteinander. Dann wandte sich Mrs. Goodacre an die übrige Gesellschaft: »Minerva hat furchtbares Kopfweh, ich fürchte, wir müssen sie nach Hause bringen. Es tut mir so leid, so ein reizender Abend, aber ihre Mutter hat sie mir anvertraut. Ich bin sicher, Sie verstehen mich.«
    Die Damen ließen sich ihre Umhänge reichen und verabschiedeten sich kurz angebunden, während Mr. Goodacre und Harry die Kutsche vorbereiteten. Man rief meiner Mutter noch mehrfach Dank zu, doch irgendwelche Versprechen für ein baldiges erneutes Zusammentreffen blieben aus. Bald war die Kutsche in der Dunkelheit verschwunden.
    Harry sah nachdenklich aus. »Großvater, als Miss Goodacre mit dir in der Bibliothek war – ging es ihr da noch gut?«
    »Doch, durchaus. Sie zeigte auch ein gewisses Interesse an den Bläulingen. Ich hätte mir allerdings gewünscht, sie hätte mehr Interesse für meine Sammlung von Aaskäfern bewiesen. Da besitze ich ja wirklich einige außergewöhnlich schöne Exemplare.« Er zündete sich eine Zigarre an. »Alles in allem haben wir uns gut unterhalten, würde ich sagen.«
    Am nächsten Tag erhielt meine Mutter per Boten handgeschriebene Danksagungen unserer Gäste, die sie offen auf dem Esstisch liegen ließ als eine Lektion in gutem Benehmen. Die Briefe waren in blumigem, überschwänglichem Stil verfasst, bis auf den von Miss Goodacre, der zwar korrekt war, doch so knapp, dass es an Unhöflichkeit grenzte.
    Zwei Tage später wollte Harry ihr einen Besuch abstatten. Die Tante ließ ihn wissen, sie sei nicht zu Hause. Drei Tage später kehrte Miss Goodacre ohne vorherige Ankündigung nach Austin zurück. Das Hausmädchen sagte es Harry, als er ein zweites Mal versuchte, sie zu sehen. Er kam nach Hause und ging sofort auf sein Zimmer.
    Die älteren meiner Brüder rätselten, ob Harry wohl auch Lebertran einnehmen müsse. Falls nicht – wie alt musste man eigentlich sein, um darum herumzukommen? War sechzehn die Grenze? Oder vierzehn? Die Frage erregte größtes Interesse.
    Harry bekam keinen stinkenden Lebertran verabreicht. Stattdessen badete er in Trauer und Verwirrung, als seine Briefe an Miss Goodacre ungeöffnet zurückkamen. Tagelang schlich er durchs Haus; er wusste nichts mit sich anzufangen und erinnerte mich an die Veteranen, die ich draußen herumlaufen sah. Ein jammervoller Anblick. Ich kümmerte mich um meinen eigenen blauen Fleck, sah zu, wie er sich verfärbte, und nahm mir vor, meinen Auftrag als Vermittlerin niederzulegen.

 
     
     
    Achtes Kapitel
     
    MIKROSKOPIE
     
    Die Erdrinde ist ein ungeheures Museum …
     
     
    Nach unserem Beinahezusammenstoß mit der überkandidelten Miss Goodacre schien unsere Familie noch wochenlang wie aus dem Lot geraten, während Harry trauerte und Trübsal blies. Ich hatte mir gelobt, mich in Zukunft aus der Sache herauszuhalten, und hielt mich auch daran, bis auf das eine Mal, als ich am Schlüsselloch der Bibliothek lauschte, während Großpapa einige Tage nach dem Ereignis eine Unterredung mit Harry führte. Es ging irgendwie um das Gesetz der natürlichen Auslese, das allgemein in der Natur galt, doch auf unerklärliche Weise beim Menschen manchmal versagte. Danach schien es Harry etwas besser zu gehen, doch bis wir unseren alten Harry ganz zurück hatten, verging noch einige Zeit. Ich fragte mich, ob Harry es Großpapa irgendwie zum Vorwurf machte, dass er Miss Goodacre seine Aaskäfersammlung gezeigt hatte. Andererseits – wenn nicht mehr nötig war, damit Miss Goodacre das Interesse an Harry verlor, dann war sie ihn sowieso nicht wert.
    Meiner Mutter war die Erleichterung anzumerken, dass diese grässliche Miss Goodacre von der Bildfläche verschwunden war. Ihr sonst so unverbindlich höfliches Verhalten ihrem Schwiegervater gegenüber wurde spürbar wärmer, fast sprach so etwas wie Dankbarkeit, vielleicht sogar Zuneigung daraus. Beim Essen erkundigte sie sich nach seiner Gesundheit, und sie sorgte dafür, dass er stets die besten Stücke erhielt. Allerdings glaube ich nicht, dass er es bemerkt hat.
    Und Harry verzieh mir. Immerhin war es mir ja nicht gelungen, ihm seine

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