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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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diesem und Gläsern mit jenem anbot.
    Sie war sehr mit ihrem Fächer beschäftigt und redete viel über die neueste Mode aus Paris und die neueste Mode aus New York. Es sei doch wirklich eine Schande gewesen, was für ein vollkommen schreckliches Kleid Gouverneur Culbersons Gattin bei der Amtseinführung ihres Gatten in Austin trug! Mit all ihrem Geld hätte sie sich doch sicher etwas Besseres leisten können – oder wenigstens den Rat einer modiste mit Geschmack suchen können. Geschmack zu besitzen sei doch nun mal das A und O, n’est-ce pas?
    À propos Geschmack: Sei jemandem dieser unsägliche Fetzen aufgefallen, den Miss Soundso zum Ball bei den Soundsos trug …?
    Mutter bemühte sich, sie in eine Unterhaltung über Musik zu verwickeln, doch davon wollte sie nichts hören. Vater versuchte, ihre Meinung zu der neuen Telefonleitung zu erfragen, die bald bis in die Stadt gelegt werden sollte, doch sie hatte keine Meinung. Sie lächelte bloß albern und wedelte mit ihrem Fächer und orderte Harry herum. Mir wurde richtig schlecht davon.
    Der Abend zog sich dahin, doch irgendwie überstanden wir das scheinbar endlose Essen, und zur Eröffnung des anschließenden Unterhaltungsteils setzte sich Miss Brown ans Piano und jagte durch Chopins Minutenwalzer, ihr Standardstück, das sie bei jeder Abendgesellschaft vortrug. Nach Vaters Taschenuhr brauchte sie dieses Mal gerade mal zweiundfünfzig Sekunden. Anschließend begleitete sie Miss Goodacre, die das Lied Drink to Me Only with Thine Eyes vortrug, mit einer, wie ich fand, absolut ausdruckslosen Stimme, während sie gleichzeitig Harry anschmachtete.
     
Drink to me only with thine eyes,
  Trink’ mit den Augen nur mir zu
And I will pledge with mine
  mit meinen stimm’ ich ein;
Or leave a kiss but in the cup
  lass’ einen Kuss im Kelch zurück
And I‘ll not ask for wine.
  So bitt’ ich nicht um Wein.
     
    Während dieses geradezu ekelhaften Auftritts fiel mir auf, dass Großpapa Miss Goodacre anstarrte, als wäre er hypnotisiert, und das deprimierte mich endgültig. Schlimm genug, dass sie Harry erobert hatte – musste sie jetzt auch noch die anderen Männer einfangen, die mir wichtig waren?
     
    Danach sang Harry Beautiful Dreamer , und wieder himmelte ihn Miss Goodacre die ganze Zeit mit ihren Kulleraugen an. Die verhasste Miss Brown schubste mich nach vorn, damit ich mein Stück vom Vorspiel noch einmal zum Besten gab. Mit rasenden Kopfschmerzen und einem wie angeklebten, künstlichen Lächeln im Gesicht brachte ich eine mittelmäßige Vorstellung zustande. Anschließend ging ich zu Viola in die Küche und bat um eine Tablette gegen meine Kopfschmerzen.
    »Wie ist sie?«, fragte Viola. »Von hier aus sieht sie nicht besonders hübsch aus. Wo doch Mister Harry so ein gut aussehender, netter Junge ist.«
    »Sie ist grässlich, Viola. Das Einzige, worüber sie reden kann, sind Kleider.«
    »Nun, Kleider sind doch auch interessant«, meinte Viola.
    »Nicht, wenn jemand sonst nichts zu sagen hat.«
    »Das stimmt. Und singen kann sie auch nicht besonders gut. Wie hält sich deine Mama?«
    »Ganz gut, glaube ich.«
    »Schön«, sagte sie. »Hier ist deine Tablette. Und nimm die Pralinen mit. Aber genau abzählen!«
    Ich ging zurück in den Salon und reichte die Pralinen herum. Dabei achtete ich darauf, mich von meinen Brüdern möglichst fernzuhalten. SanJuanna sammelte die jüngeren ein und brachte sie ins Bett. Reverend Goodacre sprach angeregt mit meinem Vater über die Schwankungen des Baumwollmarktes. Großpapa hatte es geschafft, Harry und Miss Goodacre in eine Ecke zu drängen, und beschrieb ihnen in allen Einzelheiten die Unterschiede zwischen der männlichen und der weiblichen Deinacrida oder Riesenheuschrecke. Miss Goodacres Lächeln wurde starr.
    »Kommen Sie, begleiten Sie mich in die Bibliothek«, sagte Großpapa zu ihr. »Ich besitze zwei ganz ausgezeichnete Exemplare, an denen kann ich Ihnen die Unterschiede gut vorführen.« Er nahm sie beim Ellbogen und führte sie hinaus.
    »Aber bring sie uns bald zurück«, rief Harry ihnen lachend hinterher. »Beraube uns nicht zu lange ihrer Gesellschaft.«
    Harry strahlte vor guter Laune. Ich reichte ihm einen Schokoladentrüffel. Um jeden Preis wünschte ich mir, dass mein Bruder mich wieder liebte. Mit dünner Stimme sagte ich: »Sie scheint sehr nett zu sein, Harry.« Die größte, erbärmlichste Lügnerin der Welt war ich. Schon spürte ich, wie an meinem Hals wieder der Ausschlag ausbrach. Meine

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