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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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für mich berührt. Aber dann fiel mir ein, wie Mutter mich anschließend dafür büßen lassen würde. Nein, das war die Sache definitiv nicht wert.
    »Wir nehmen sie mit«, sagte ich, »und ich ziehe sie auf. Ich glaube, ich nenne sie Petzi.«
    »Calpurnia, irgendwann wirst du merken, dass es keine gute Idee ist, deinen Studienobjekten Namen zu geben.«
    »Wieso?«, fragte ich und ließ den Zweig samt Petzi in dem größten Einmachglas verschwinden, das wir hatten, einem mit Löchern im Deckel.
    »Das hindert dich nur an einer wirklich objektiven Beobachtung.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das jetzt wirklich verstanden habe, Großpapa.«
    Doch er war bereits ganz versunken in einige Tierspuren am Boden. »Fuchs, würde ich sagen«, murmelte er vor sich hin. »Mit Welpen, so wie’s aussieht. Ein gutes Zeichen. Ich fürchtete schon, die Kojoten hätten sie alle geholt.«
    Zu Hause sahen wir, dass Sam Houston und Lamar einen gewaltigen Wels gefangen hatten, der es auf der Waage in der Cotton Gin auf ganze vierzig Pfund brachte. Sein großes, wulstiges Maul war von Barteln so dick wie Bleistifte umgeben. Ein gruseliger Anblick! Die größten dieser Fische wehrten sich kaum, wenn sie erst an der Angel hingen, weswegen meine Brüder Welse nicht so interessant fanden. Die Herausforderung bestand dann immer noch darin, sie aus dem Wasser zu bekommen und nach Hause zu schleppen, ohne die giftigen Stacheln an den Flossen zu berühren.
    Am Abend gab es große Stücke Wels zum Abendessen, in Maismehl paniert und in heißem Fett ausgebacken. Das weiße Fleisch schmeckte noch leicht nach dem Flussschlamm, in den die Welse sich eingraben, doch außer mir schien sich niemand daran zu stören. Ich mochte den Wels nicht essen. Ich mochte ihn nicht einmal ansehen. Er war so groß wie mein Bruder J. B. Schon allein die Größe dieses Tieres – ein ganzes Bein von mir hätte mühelos in sein Maul gepasst. Und ich schwamm jeden Tag in diesem Fluss! Ich stellte mir vor, wie so ein Wels mich packte und auf den Grund zog und mich dort festhielt, zu lange oder auch gerade lange genug, je nachdem aus welchem Blickwinkel man das sah, aus meinem oder dem des Fisches. Irgendwann würde meine Familie mich finden, mit wirrem Haar wie dem der tragisch geendeten Ophelia. Oder sie fänden zu wenig ausreichend große Teile von mir, sodass eine Beerdigung nicht mehr lohnte. Vielleicht fänden sie auch nur mein Hemd. Würde es dafür einen Sarg geben und eine Trauerfeier, nur für ein Hemd? Vermutlich nicht. Aber für einen Arm oder ein Bein? Hatte man nicht eine große Trauerfeier für General Jacksons Arm abgehalten? Und wenn man nur meinen Kopf fände? Ich glaube, ein Kopf würde reichen.
    Ich beschloss, damit hatte ich mir ausreichend Überlegungen zu der Sache gemacht, und ich tat mein Bestes, nicht mehr daran zu denken. Doch noch Monate danach stellte ich mir vor, wie einerseits dieser Leviathan darauf wartete, mich zu verstümmeln, und wie andererseits der Schwarm der mikroskopisch kleinen Lebewesen nur darauf lauerte, in mich einzudringen. Schade, aber manchmal konnte so ein bisschen Wissen einem den ganzen Tag verderben oder ihm doch wenigstens etwas von seinem Glanz nehmen.

 
     
     
    Neuntes Kapitel
     
    PETZI
     
    Ebenso gibt es bekanntlich Eigentümlichkeiten des Seidenwurms, die nur den Raupen- oder Puppenzustand betreffen.
     
     
    Während der Sommer dahinging, verbrachte ich immer mehr Zeit mit dem Studium der Naturwissenschaften und immer weniger damit, Klavier zu üben. Langfristig erwies sich das als unklug, denn jedes Mal, wenn ich nicht geübt hatte, musste ich die Zeit nachholen und bekam eine halbe Stunde zusätzlich aufgebrummt. Eines Samstags, nachdem ich volle zwei Stunden (!) gespielt hatte, flüchtete ich mit meinem Notizbuch und pochte an die Tür der Bibliothek.
    »Herein, wenn’ s denn sein muss«, rief Großpapa. Er betrachtete gerade einige Bildtafeln in dem großen Band Leben in Gewässern in mikroskopischen Abbildungen.
    »Hast du deine kulturellen Verpflichtungen für heute erfüllt?«, fragte er, ohne von seinem Buch aufzusehen. Da erst wurde mir klar, dass die Oberlichter ja offen standen und er daher die ganze Zeit hatte hören müssen, wie ich im Salon auf der anderen Seite der Eingangshalle meine Stücke heruntergehämmert hatte. »Ich mag Händels Wassermusik gerne«, sagte er, »und ich hoffe, du wirst sie vom vielen Üben nicht so leid, dass du sie für den Rest deines Lebens beiseitelegst. Das ist die

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