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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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große Gefahr dabei, wenn man zuviel Zeit mit dem Üben verbringt. Hoffentlich begreift Margaret das.«
    »Mutter sagt, ab morgen muss ich nur noch eine halbe Stunde spielen, so wie sonst. Oh –«, ich sah ihm über die Schulter, »das ist doch das, was ich unterm Mikroskop gesehen habe, stimmt’s?« Ich schlug mein Notizbuch auf, die Seite mit meinen Zeichnungen der winzigen Wasserorganismen. Mein mittelalterlicher Morgenstern sah ganz so aus wie die Abbildung in Großpapas Buch. »Volvox«, las ich. »Es ist ein Volvox – nennt man das so?«
    »Ganz genau. So eine vollkommene Form. Ich gebe zu, in der gesamten Ordnung der Chlorophyta ist der Volvox der, für den ich eine besondere Schwäche hege.«
    »Sieh mal«, sagte ich, »hier ist noch einer.« Meine Zeichnungen taugten also doch etwas! Ich war höchst zufrieden mit mir.
    »Jetzt kannst du alle Abbildungen in deinem Buch beschriften«, sagte Großpapa. »Und notiere dir die entsprechende Seite in diesem Buch, damit du sie irgendwann wiederfindest.«
    Ich beschloss, mit Tinte statt mit Bleistift zu schreiben, was mich einiges an Nerven kostete, doch am Ende hatte ich nur einen ganz kleinen Klecks gemacht.
    »Großpapa, womit soll ich Petzi füttern?«, fragte ich dann.
    »Wen?«, fragte er zurück.
    »Petzi, die Raupe.«
    »Calpurnia, muss ich dir die Antwort darauf wirklich so geben, wie man ein Kleinkind mit dem Löffel füttert? Bestimmt kommst du ganz allein darauf. Denk einmal nach. Weißt du noch, wo du sie gefunden hast? Was für ein Baum war das, auf dem sie lebte?«
    »Aah!«, machte ich und ging hinaus, um Blätter derselben Art zu finden wie die, von denen wir Petzi entführt hatten. Logisch! Die Aufgabe einer Raupe war es zu fressen, also würde sie keine Zeit damit vergeuden, irgendwo herumzukriechen, wo ihr die Blätter nicht schmeckten. Petzi rollte sich zu einem pelzigen Komma zusammen, als ich die Blätter in ihr Glas tat. Ich nahm den kleinen Zweig heraus und gab ihr dafür einen größeren, verzweigteren, damit sie mehr Bewegung und mehr Unterhaltung hatte, falls ihr danach war. Das Glas stellte ich auf meine Kommode, zwischen das Kolibrinest und eine Schale mit Kaulquappen, die ich beobachten wollte. Langsam wurde es voll auf der Kommode. Als ich nach einer halben Stunde wieder nachsah, kaute Petzi an ihren Blättern und machte einen ganz vergnügten Eindruck, soweit man das von einer Raupe sagen kann.
    Vor dem Schlafengehen schaute ich noch einmal nach ihr. Reglos lag sie lang ausgestreckt auf ihrem Zweig und schien zu schlafen. Jedenfalls hoffte ich, dass sie nur schlief. Ich versuchte herauszufinden, ob sie Augen hatte, und falls ja, ob sie geschlossen waren. Beide Raupenenden sahen gleich aus, doch als ich noch einmal nachsah, dieses Mal mit dem Vergrößerungsglas, fand ich tief im Pelz verborgen zwei glänzende schwarze Punkte. Das mussten doch ihre Augen sein, oder? Lider schien sie aber keine zu haben.
    Frage für mein Notizbuch: Wieso haben Raupen keine Augenlider? Man sollte meinen, sie bräuchten sie, wo sie doch den ganzen Tag in der Sonne verbringen.
    Travis schaute sich Petzi am nächsten Morgen an und stellte eine Frage, die mir bis dahin gar nicht in den Sinn gekommen war. »Wieso nennst du deine Raupe Petzi? Weißt du denn, ob sie ein Männchen oder ein Weibchen ist?«
    »Stimmt, das weiß ich nicht«, sagte ich. »Vielleicht finden wir’s heraus, wenn sie sich entpuppt. Ich weiß ja nicht einmal, was für eine Art Schmetterling sie wird.«
    Noch mehr Fragen für mein Notizbuch: Sind Raupen von Anfang an Weibchen oder Männchen? Oder werden sie erst dazu, während sie in ihrem Kokon liegen und schlafen? Großpapa hatte mir erzählt, dass Wespen, solange sie Larven sind, noch entweder Männchen oder Weibchen werden können. Eine interessante Vorstellung. Ich fragte mich, wieso Kinder das nicht können, solange sie sich noch in ihrer Larvenphase befinden, also vielleicht bis sie fünf sind. Nach allem, was ich bisher gesehen hatte, würde ich mich definitiv dafür entscheiden, ein Junge zu werden.
     
    Mutter gefiel es gar nicht, dass Petzi in meinem Zimmer wohnte, doch sie duldete die Raupe, weil sie wusste, dass sie sich eines Tages in einen schönen Schmetterling verwandeln würde. Mutter hatte eine große Sehnsucht nach Schönheit in ihrem Leben. Sie unterstützte das Kammerorchester von Lockhart und fuhr einmal im Jahr mit uns nach Austin ins Ballett. Wir brauchten einen halben Tag für die Fahrt mit dem Zug und

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