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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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Kopfschmerzen; trotzdem trug sie tapfer ihren Teil zum Tischgespräch bei.
    Am nächsten Tag saß ich auf den Stufen zur hinteren Veranda und wachte sorgsam über meine neunundzwanzig Schützlinge. Seit ich bezahlt wurde, also richtig professionell arbeitete, nahm ich meine Pflichten wirklich ernst. Immer wieder zählte ich durch, ob noch alle da waren. Die meisten waren Krabbelkinder, die sich auf dem staubigen Boden vergnügten, doch gelegentlich schafften es welche, sich hochzuziehen und quiekend vor Begeisterung einem Hund oder einer Katze hinterherzuwackeln. Wenn ich sie dann zurückzerrte, protestierten sie lautstark. Ein weiteres Problem war, dass sie alles, was sie am Boden fanden, in den Mund steckten, und so habe ich mehreren Käfern und einem orientierungslosen Wurm in letzter Sekunde das Leben gerettet. Ich hätte so gern ein Buch gelesen, aber man konnte diese Kinder keine Sekunde aus den Augen lassen. Für so kleine, wacklige Wesen waren sie erstaunlich flink, ruckzuck hatten sie sich aus dem Staub gemacht. Und die Hennen waren natürlich eine Plage, ständig kamen sie angerannt und stürzten sich hysterisch gackernd mitten ins Gewühl. Um sie zu verscheuchen, warf ich Steinchen nach ihnen.
    Einmal kam Sul Ross vorbei, als ich gerade wieder auf die Hennen zielte. Ich glaube, er dachte, mir mache das Spaß. Ich war sauer und wollte ihn schon wegschicken, als mir auffiel, wie interessiert er mir zusah, so als wollte er vielleicht mitmachen. Ich sah ihn aus dem Augenwinkel an und überlegte schnell.
    »Das ist wirklich lustig«, sagte ich.
    »Bestimmt«, sagte er. »Mich schimpfen sie immer aus, wenn ich das mache.«
    »Du Ärmster – dabei macht das solchen Spaß!« Das war schon nicht mehr Becky Thatcher, sondern der raffinierte alte Tom Sawyer höchstpersönlich.
    Nur ein paar Minuten später rannte ich über die Wiese, in die Richtung, in die ich kurz zuvor Großpapa hatte gehen sehen. »Halt, warte«, rief ich ihm nach. Gerade wollte er in dem schattigen Wäldchen verschwinden, als ich ihn einholte.
    »Ich bin hoch erfreut über deine Gesellschaft«, sagte er, »aber was machst du hier? Ich dachte, du hättest eine Arbeit angenommen.«
    »Ich habe mit Sul Ross getauscht.«
    »Und wie habt ihr getauscht?«, wollte Großpapa wissen.
    »Na ja, nicht so richtig getauscht. Ich habe ihn angeheuert. Ich habe ihm gesagt, er kriegt zwei Cent von mir, wenn er auf die Kleinen aufpasst. Außerdem darf er die Hennen mit Steinen verscheuchen.« Schnell fügte ich hinzu: »Aber nur mit ganz kleinen Steinen, nicht größer als mein Daumennagel, das habe ich ihm eingeschärft. Er schien ganz zufrieden mit der Regelung. Auf die Weise verdiene ich drei Cent. Und kann den Tag mit dir verbringen.«
    »Aha«, sagte Großpapa. »Das hört sich so an, als könnte aus dir eines Tages eine richtige Geschäftsfrau werden.« Doch obwohl seine Stimme durchaus freundlich klang, kam es mir so vor, als hätte ich in seiner Miene etwas anderes gesehen. Etwas wie Enttäuschung?»Nein«, sagte ich, nachdem ich kurz nachgedacht hatte. »Das glaube ich nicht.« Ich schob meine Hand in seine. »Glaubst du, wir sehen heute etwas Neues?«
    Seine Miene veränderte sich, er sah froh aus. »Da bin ich mir ganz sicher«, antwortete er. Und damit brachen wir zum Flussufer auf.

 
     
     
    Sechzehntes Kapitel
     
    DAS TELEFON
    KOMMT
     
    Obwohl einige Arten jetzt in langsamerer oder rascherer Zunahme begriffen sein mögen: alle können es nicht zugleich, denn die Welt würde sie nicht fassen.
     
     
    Große Veränderungen bahnten sich an, sowohl in meinem kleinen Leben als auch im größeren Leben unserer Stadt. Die Telefongesellschaft Bell hatte über die gesamte Strecke von Austin bis zum Sitz der Bezirksregierung in Lockhart eine Leitung gelegt, was es der Bevölkerung ermöglichte, etwas ganz Unglaubliches zu tun, nämlich über einen dünnen Draht mit jemandem zu sprechen, der sich dreißig Meilen entfernt befand. (Besser gesagt, ihn anzubrüllen – nach allem, was man hörte, war dieser Austausch eine ziemlich laute Angelegenheit.) Zwanzig Jahre zuvor hatte die Fahrt nach Austin in der Kutsche drei Tage gedauert, zehn Jahre zuvor fuhr man einen halben Tag lang mit dem Zug, und nun konnte man in weniger Zeit, als man brauchte, um Luft zu holen, eine Nachricht überbringen.
    Es gab hitzige Debatten darüber, wo die Telefonvermittlung eingerichtet und der einzige Apparat aufgestellt werden würde. Die einen fanden, das Büro des

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