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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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sagte Vater. »Oder?«
    »Sie kann ja nicht mal getrocknete Bohnen kochen. Und ihre Brötchen sind wie … wie … was weiß ich.«
    Wie Steine, dachte ich. Das wolltest du doch sagen, oder?
    »Das wird sie alles noch lernen, da bin ich mir sicher«, sagte mein Vater.
    »Alfred, sie hält Frösche in ihrem Zimmer.«
    »Tatsächlich?«
    Eine ganz gemeine Lüge ist das – das sind doch bloß Kaulquappen!, hätte ich fast dazwischengerufen.
    Doch dann geschah es. Mein Vater schwieg. Und in seinem Schweigen, dieser langen Pause, in der er diese Information verdaute, da füllten sich die Eingangshalle, mein Herz und meine Seele mit so übermächtigem Druck, dass ich keine Luft mehr bekam. Nie hatte ich mich als Mädchen klassifiziert, ich gehörte nicht zu derselben Art. Ich war anders. Nie zuvor hatte ich mir vorgestellt, dass meine Zukunft dieselbe sein würde wie ihre. Doch jetzt auf einmal wusste ich, dass das nicht stimmte – ich war exakt so wie die anderen. Von mir wurde erwartet, dass ich mein Leben einem Haus, einem Ehemann und Kindern widmen würde. Meine Naturbeobachtungen, mein Notizbuch, meinen geliebten Fluss – all das würde ich aufgeben müssen, so war es für mich vorgesehen. All das Handarbeiten und Kochen, das sie mir ständig aufzwingen wollten, die öden Lektionen, die ich nach Möglichkeit zu schwänzen versucht hatte – mit all dem verfolgten sie ein böses Ziel. Es lief mir heiß und kalt den Rücken hinunter. Mein Leben würde sich gar nicht um die Pflanze drehen. Mit meinem Leben war es aus. Wieso hatte ich das bis jetzt nie gesehen? Ich saß in der Falle. Ein Kojote mit der Pfote in der Falle, das war ich.
    Nach einer Ewigkeit hörte ich Vater seufzen. »Ich verstehe. Nun, Margaret, was sollten wir in der Sache unternehmen?«
    »Zuerst einmal ist wichtig, dass sie weniger Zeit mit deinem Vater und mehr Zeit mit Viola und mir verbringt. Ich habe ihr bereits gesagt, dass ich ihre Kochübungen und ihre Handarbeiten in Zukunft genauer überwachen werde. Sie braucht richtige Unterrichtsstunden. Ein neues Gericht jede Woche, so habe ich mir das gedacht.«
    »Müssen wir das dann auch essen?«, fragte Vater lachend.
    »Also wirklich, Alfred.«
    Tränen traten mir in die Augen. Mein eigener Vater machte Witze darüber, dass seine einzige Tochter als Haussklavin enden wird!
    »Diese Dinge überlasse ich ganz dir, Margaret«, sagte er. »Ich weiß, sie sind eine große Last, aber ich weiß auch, dass sie bei dir in guten Händen sind. Was machen deine Kopfschmerzen zur Zeit, meine Liebe?«
    »Es geht, Alfred, es geht.«
    Mein Vater stand auf, ging durchs Zimmer und drückte meiner Mutter einen Kuss auf die Stirn. »Das freut mich. Kann ich dir dein Tonikum bringen?«
    »Nein danke, ich brauche nichts.«
    Mein Vater kehrte zu seinem Sessel zurück, ich hörte das Rascheln seiner Zeitung. Das war’s also. Das Urteil über mich war gesprochen: Lebenslänglich.
    Ich lehnte mich an die Wand und blieb lange so stehen. Ganz leer fühlte ich mich. Ein nützliches, leeres Gefäß war ich, das nur darauf wartete, mit Rezepten und Strickmustern gefüllt zu werden.
    Jim Bowie kam auf leisen Sohlen die Treppe herunter. Ohne ein Wort breitete er seine Arme aus zu einer seiner langen, lieben Umarmungen.
    »Danke, J. B.«, flüsterte ich, dann stiegen wir Hand in Hand die Treppe hinauf.
    »Bist du krank, Callie Vee?«, fragte er.
    »Ich glaub schon, J. B.«
    »Das hab ich gemerkt«, sagte er.
    »Du merkst so was immer, das stimmt.«
    »Du sollst nicht traurig sein. Du bist doch meine Lieblingsschwester.« Wir kletterten beide in mein Bett, und er kuschelte sich an mich.
    »Du hast gesagt, du würdest mehr mit mir spielen.«
    »Tut mir leid, J. B.«, antwortete ich. »Ich hab so viel Zeit mit Großpapa verbracht.« Aber damit ist sowieso bald Schluss , dachte ich.
    »Kennt er Bigfoot Wallace?«
    »Klar.«
    »Meinst du, er würde mir von ihm erzählen?«
    »Frag ihn. Kann sein, dass er’s macht, aber er hat viel zu tun.« Und das ohne mich, dachte ich trübsinnig.
    »Vielleicht frag ich ihn wirklich«, sagte J. B. »Aber er macht mir Angst. Gute Nacht, Callie. Und werd schnell gesund.«
    Leise schloss er die Tür hinter sich. Mein letzter Gedanke, bevor ich in einen unruhigen Schlaf versank, galt dem Kojoten. Vielleicht konnte ich herausfinden, wie man sich das eigene Bein abnagt.

 
     
     
    Achtzehntes Kapitel
     
    KOCHSTUNDEN
     
    Kampf um Kampf mit veränderlichem Erfolge muss immer wiederkehren

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