Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
Vom Netzwerk:
Finger. Zum Glück tropfte das Blut nur auf einige Äpfel. Viola tauchte sie gleich in Wasser, aber sie waren trotzdem noch leicht rosa gefärbt. Alle drei taten wir so, als merkten wir nichts. Mutter ging mir ein Pflaster holen. Viola und ich saßen am Tisch und sahen uns an. Keine von uns sprach ein Wort. Seufzend stützte ich das Kinn auf die Hand. Am liebsten hätte ich den Kopf auf den Tisch sinken lassen, aber dann hätte ich bloß noch mehr Teig in die Haare bekommen. Als hätte sie meine Verzweiflung gespürt, stieg Idabelle aus ihrem Körbchen und kam zu mir herüber, um ihre breite Stirn an meinen Schienbeinen zu reiben. Ich konnte sie nicht einmal streicheln, so pappig waren meine Hände. Viola stand auf und warf Mehl und Wasser und Schmalz zusammen, anscheinend ohne auch nur nachzudenken, und hatte in null Komma nichts einen nicht klebenden, nicht zerfließenden, vollkommenen Teigboden ausgerollt. Dann schälte sie die Zitrone für mich, wobei ich mir nicht sicher war, ob sie meiner Wunde die Berührung mit dem sauren Saft ersparen oder verhindern wollte, dass noch mehr Blut auf die Früchte tropfte.
    Nachdem Mutter zurück war und meinen Finger versorgt hatte, sagte Viola: »Miz Callie, du musst jetzt die Temperatur im Ofen prüfen.«
    »Und wie mache ich das?«
    »Du steckst die Hand rein. Wenn es zu heiß ist, um sie länger als einen Augenblick drin zu lassen, dann hat der Ofen Mittelhitze.«
    Ich sah sie groß an. »Du nimmst mich wohl auf den Arm. So soll das gehen?«
    »So geht das.«
    »Und woran merkt man, dass der Ofen richtig heiß ist?«
    »Daran, dass du die Hand nicht mal so weit reinstecken kannst, weil es zu heiß ist.«
    »Gibt es denn kein Thermometer oder so was?«, wollte ich wissen. Mutter und Viola lachten, als hätten sie lange nicht mehr so was Lustiges gehört. Ha, ha, sehr witzig. Ich öffnete den Ofen, und eine Welle heißer Luft schlug mir entgegen wie aus einer Drachenhöhle.
    »Nun mach, Mädchen«, drängte Viola. »Mach schon.«
    Sie selbst war bisher nicht dabei umgekommen, also konnte es ja wohl nicht gefährlich sein. Ich holte tief Luft, stieß meinen Arm tief hinein in die Hitze und zog ihn nur den Bruchteil einer Sekunde später wieder heraus.
    »O ja«, sagte ich und wedelte heftig mit der Hand. »Wenn das keine Mittelhitze ist. Vielleicht sogar große Hitze.«
    »Dann kannst du jetzt die Apfelstücke auf dem Teig in den Backformen verteilen. Nimm etwas Zucker, etwas so viel« – sie zeigte mir die Menge in ihrer gewölbten Hand – »und streu ihn über die Äpfel. Umrühren ist nicht nötig. Ja, so ist’s richtig. Jetzt kommt die obere Teigdecke darüber.«
    Sie hielt mir einen Spatel hin, mit dem ich den ausgerollten Teig gleichmäßig auf die Formen legen sollte, aber das war leichter gesagt als getan. Der Teig dachte gar nicht daran, zu tun, was er sollte, sondern dehnte sich in alle möglichen Richtungen aus. Wenn ich ihn berührte, blieb er an mir kleben, wenn ich ihn bearbeitete, wurde er zäh wie Leder. Ich brauchte gute zehn Minuten, um die Teigstücke auf die drei Kuchen zu befördern. Als ich mir mein Werk ansah, fand ich den Anblick ziemlich jämmerlich.
    »Besonders schön sehen die nicht gerade aus«, sagte ich.
    »Du musst die Ränder zwischen Daumen und Zeigefinger verkneten, so. Dann sehen sie schön aus. Mach das mal.«
    Mit meinem guten Daumen knetete ich einmal rings um jede Form, danach sahen die Kuchen tatsächlich besser aus, auch wenn man niemandem hätte weismachen können, dass Viola sie gemacht hatte.
    »Gut, jetzt fehlt nur noch eins«, sagte Viola.
    »Was denn?«, krächzte ich erschöpft.
    »Du musst ein C oben drauf machen, für Callie. Du knetest ein C aus Teig und legst es mitten drauf, damit jeder weiß, dass du die Kuchen gemacht hast. Dann pinselst du den Teig mit Eigelb ein, damit er schön glänzt.«
    Ich rollte drei Würmer aus und bog sie zu einem großen C, das ich nach Violas Anweisung auf die Kuchen legte. Als ich alle drei auch noch mit Ei bepinselt hatte, traten wir alle drei einen Schritt zurück und betrachteten sie.
    »Na siehst du«, sagte Viola.
    »Doch ja« sagte Mutter, »sehr hübsch.«
    »Puuh«, machte ich.
    Am Abend, als SanJuanna den Hauptgang abgeräumt und den Nachtisch aufgetragen hatte, bat meine Mutter um Ruhe. »Ich habe eine Ankündigung zu machen«, sagte sie zu den Jungen. »Den Apfelkuchen, den es heute zum Dessert gibt, hat eure Schwester gebacken. Ich bin sicher, er wird uns allen besonders gut

Weitere Kostenlose Bücher