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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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ehrenvolle Aufgabe.«
    Und da trotz allem ein Feiertag war, schob ich die schwarze Tinte beiseite und hielt Großpapa fragend das Fässchen mit der roten hin. Er nickte. Also tauchte ich die Feder in die blutrote Flüssigkeit und schrieb langsam und aufmerksam. Dann zeigte ich Großpapa, was ich notiert hatte.
    »Ausgezeichnet«, sagte er. »Allerdings glaube ich, dass man ›Katzenpisse‹ mit zwei s schreibt.«

 
     
     
    Zwanzigstes Kapitel
     
    DER GROSSE
    GEBURTSTAG
     
    Die vielen geringen Verschiedenheiten, die oft unter den Abkömmlingen von einerlei Eltern vorkommen oder unter solchen, von denen man einen derartigen Ursprung annehmen kann, kann man individuelle Verschiedenheiten nennen … Niemand glaubt, dass alle Individuen einer Art genau nach demselben Modell gebildet sind.
     
     
    Die Wochen gingen dahin, aber noch immer hatten wir keine Nachricht aus Washington wegen unserer Pflanze. Meine Tage vergingen in einem einzigen Kreislauf aus Schule, Hausaufgaben, Klavierspielen und Kochstunden bei Viola. Ganz gegen meinen Willen hatte ich gelernt, Rinderfilet im Blätterteigmantel und Lammbraten zuzubereiten, ich konnte Hühnchen, Welse und Okraschoten braten und Weißbrot, braunes Brot, Maisbrot und Löffelbrot backen, eine Art Auflauf aus Maismehl.
    Aber nichts davon schien Viola gut zu bekommen, und mir auch nicht gerade. In den immer kürzer werdenden freien Momenten, die mir blieben, lief ich Großpapa hinterher, wann immer ich es einrichten konnte.
    So wurde es Oktober. Für mich und drei meiner Brüder war das ein Freudenmonat, denn wir vier hatten alle im Oktober Geburtstag, und außerdem konnten wir uns schon auf Halloween freuen. So viel Vorfreude war kaum zu ertragen. Und so war es in jenem Jahr auch tatsächlich, zumindest was Mutter betraf. Sie rief Lamar, Sul Ross, Sam Houston und mich zu sich, um mit uns zu reden.
    »Kinder«, sagte sie, »dieses Jahr werden wir für euch vier eine gemeinsame Geburtstagsfeier ausrichten. Ein großes Fest statt vier ganz normaler Geburtstage, ist das nicht schön? Wir werden alle eure Freunde einladen.«
    »Was?«
    »Aber – das ist nicht gerecht.«
    »Warte mal –«
    »Mutter!!!«
    Hatte sie wirklich erwartet, dass diese Neuigkeit bei uns Begeisterungsstürme auslösen würde? Nichts dergleichen geschah. Stattdessen war das allgemeine Gemecker so laut und hielt so lange an, dass ich überrascht war, dass sie sich nicht erweichen ließ und ihre Pläne aufgab. Doch sie blieb stur.
    »Genug jetzt!«, befahl sie. »Es ist einfach zu viel, für mich und auch für Viola. Wenn sie noch einmal das Essen für vier Geburtstage in einem einzigen Monat vorbereiten muss, dann verlässt sie uns, das schwöre ich. Und ich dulde nicht, dass ihr zu ihr lauft und euch bei ihr beschwert. Es war nicht ihre Idee.«
    »Callie Vee kann ihr doch beim Kochen helfen«, sagte Lamar herablassend, »sie lernt es doch gerade. Ich will jedenfalls meine eigene Geburtstagsfeier.«
    Ich warf ihm einen so giftigen Blick zu, dass er erschrocken einen Schritt rückwärts machte.
    Doch Mutter blieb bei ihrem Plan, und so begann eine volle Woche der Vorbereitungen, während der sie und Viola und SanJuanna mit Feuereifer zur Sache gingen. (Ich selbst war trotz des fiesen Kommentars meines Bruders ausnahmsweise entschuldigt, da es schließlich auch um meinen eigenen Geburtstag ging.) Wir vier gingen ihnen möglichst aus dem Weg und machten uns und unserem gemeinsamen Ärger über diese Ungerechtigkeit nur Luft, wenn wir unter uns waren. Schließlich war es so weit, der erste Samstag im Oktober war gekommen, und wir Kinder wurden zu unserem Gemeinschaftsgeburtstag zusammengerufen. Unsere Stimmung war eine ganz besondere, eine Mischung aus Festtagslaune und Missmut.
    Violas Aufgabe bestand darin, Berge von Essen zuzubereiten, SanJuannas war es, für steten Nachschub aus der Küche zu sorgen, Alberto errichtete ein großes Zelt im Garten, für den Fall, dass es regnete, und führte unser verbittertes, älteres Shetland-Pony namens Sunshine am kurzen Zügel, damit es nicht seinen Lieblingstrick vollführte, der darin bestand, schlangenschnell den Kopf nach hinten zu drehen und dem Reiter ein Stück aus der Wade zu beißen.
    Unsere anfängliche kollektive Verstimmung schmolz dahin, kaum dass das Fest begonnen hatte, und das war kein Wunder: Wir feierten die größte Party, die Fentress je erlebt hatte. Alle Kinder unserer Stadt waren eingeladen, und viele kamen zusammen mit ihren Eltern. Außer

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