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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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auch heiratsfähige junge Männer kennenlernte. Lockhart war natürlich bei Weitem nicht so groß wie Austin, aber in jenem Jahr gab es zum ersten Mal fünf ausreichend wohlhabende Kaufleute, die sich genötigt fühlten (zweifellos durch ihre Ehefrauen), ihre Töchter öffentlich für heiratsfähig zu erklären, oder, anders ausgedrückt: sie auf dem Heiratsmarkt anzubieten. Mutter las darüber in der »Lockhart Post«, und sofort bekamen ihre Augen einen Glanz, der mir gar nicht gefiel, einen Glanz, von dem ich mit Sicherheit wusste, dass er etwas mit ihrer einzigen Tochter zu tun hatte.
    Harry begann wieder damit, sich mit Duftwässerchen einzusprühen und Pomade ins Haar zu tun. Er polierte seine Reitstiefel so ausgiebig, dass man sich darin spiegeln konnte, und bürstete seinen Anzug aus. Als er zu seiner Einladung aufbrach, fand ich ihn unwiderstehlich, so großartig sah er aus.
    Am nächsten Tag berichtete mir Lula, dass Harry und Fern nach dem Essen mindestens eine halbe Stunde lang auf der Schaukelbank auf der Veranda gesessen hatten, und zwar ohne andere Anstandsdamen als die Mücken.
    »Haben sie geturtelt?«, fragte ich. Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, was genau dazu gehörte, aber Lula würde es doch hoffentlich wissen.
    »Was?«, fragte sie. »Was haben sie?«
    »Hat er Süßholz geraspelt?«
    »Süßholz geraspelt? Wie das denn? Ich hab jedenfalls nicht gesehen, dass er Süßigkeiten dabei hatte.«
    »Egal. Hat er ihre Hand gehalten?«
    »Das konnte ich auch nicht sehen.«
    Jetzt wagte ich mich ganz weit vor: »Hat er sie geküsst?«
    »Was?«, schrie Lula auf. »Also wirklich, Callie, sie kennen sich doch kaum!«
    »Das weiß ich auch, Lula. Aber das kommt schon vor, dass Leute sich küssen, ehrlich. Ich wollte ja nur wissen, ob du’s gesehen hast.«
    Lula wurde rot, und gleich sammelten sich auf ihrer Nase stecknadelkopfgroße Perlen. (Frage fürs Notizbuch: Wieso schwitzt Lula auf der Nase? Niemand sonst tut das.) Sie zerrte ihr Taschentuch hervor und tupfte sich immer wieder trocken, dann sagte sie: »Wieso fragst du mich solche Sachen?«
    »Weil er mein Bruder ist, und weil ich rausfinden will, ob er etwa bei uns auszieht und Fern heiratet. Sie ist deine Cousine, und wir beide wären doch dann verwandt, oder? Das glaube ich jedenfalls, ich weiß nur nicht genau, wie.«
    Ich hütete mich dieses Mal, mich in Harrys Techtelmechtel einzumischen, ich hatte meine Lektion wirklich gelernt. Aber falls zufällig jemand anderes etwas in Erfahrung brächte und irgendwelche Neuigkeiten mir sozusagen in den Schoß fallen sollten …
    »Lula«, sagte ich, »denkst du manchmal darüber nach, wie es wäre, irgendwann zu heiraten?«
    »Doch, schon. Tut das nicht jeder?«
    »Wenn du verheiratet bist, musst du dich von deinem Mann küssen lassen. Und ihn auch zurückküssen.«
    »Nein!«, antwortete sie.
    Ich nickte entschieden, so als wüsste ich alles, was es über Küsse zwischen Eheleuten zu wissen gab. »Doch, sie tun das.«
    » Muss man das?«
    »Auf jeden Fall, das steht im Gesetz.«
    Lula sah mich zweifelnd an. »Von so einem Gesetz habe ich ja noch nie gehört.«
    »Ganz bestimmt, in Texas ist das Gesetz«, beteuerte ich. »Und wo wir gerade bei dem Thema sind – du weißt schon, dass viele von meinen Brüdern in dich verliebt sind, oder?«
    Im selben Moment, als mir diese interessante Information über die Lippen kam, fiel mir ein, was ich den dreien versprochen hatte. »Verflixt noch mal! Das sollte ich dir doch nicht sagen!«
    Lula sah mich schockiert an. »Callie! Man soll doch nicht fluchen!«
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Aber es sollte doch ein Geheimnis sein. Vergiss einfach, dass ich etwas gesagt habe.«
    Sie zögerte einen Moment, dann fragte sie: »Wer ist es denn?«
    »Wer ist was?«
    »Du weißt schon … verliebt in mich.«
    »Ich darf’s dir nicht sagen«, antwortete ich. »Aber du kannst ja raten.« Doch auf einmal war ich’s leid, die Last der Geheimnisse meiner Brüder mit mir herumzutragen. Wieso auch sollte Lula nichts davon wissen? »Ach, meinetwegen –Lamar und Sam Houston und Travis.«
    Lulas Wangen färbten sich kräftig rosa. »Du liebe Güte.«
    »Du kannst dir einen aussuchen. Welchen findest du am nettesten?«
    »Ich – ich weiß nicht.«
    »Willst du überhaupt einen von denen? Also ich an deiner Stelle wär mir da nicht so sicher. Welcher sieht am besten aus, was meinst du? Harry natürlich, aber der steht ja nicht zur Wahl.«
    Jetzt wurde sie dunkelrot. »Sie

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