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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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sehen alle nett aus.«
    »Ja klar, aber magst du einen von ihnen, so richtig?« Doch sie wollte mir einfach nicht antworten. Sie tupfte sich nur immer mit dem Taschentuch über die Nase und schien mir ziemlich nervös.
    »Also, wenn ich du wäre, dann würde ich Travis nehmen. Er ist der Netteste. Ihn zu küssen wäre ja vielleicht nicht so schlimm. Und irgendwas muss ja dran sein – sonst würden sie es ja nicht tun, oder? Was meinst du?«
    Lula sah nachdenklich aus. »Ich weiß nicht, ob meine Eltern das schön finden. Ich kann mich nicht erinnern, sie je dabei gesehen zu haben.«
    An Weihnachten hatte ich gesehen, wie meine Eltern sich geküsst hatten. Und einmal hatte ich beobachtet, wie mein Vater meiner Mutter einen Arm um die Taille gelegt und sie an sich gezogen hatte, ganz hinten am dunklen Ende vom Flur, bevor sie in ihr Schlafzimmer gingen. Und wenn man auf einer Farm mit Hühnern und Schweinen und Kühen und Katzen aufwuchs, dann gab es ständig irgendwo Nachwuchs, und von einem bestimmten Alter an fragt man sich schon, wo all dieses wuselnde Leben herkommt. Ich hatte sich paarende Hunde gesehen und war einmal im Dunkeln über einen Kater und eine Katze gestolpert, was extrem ungewöhnlich war. Die beiden waren genauso schockiert wie ich.
    Lula sagte etwas zu mir, aber ich hatte es nicht mitbekommen.
    »Was?«, fragte ich nach.
    Sie sah zur Seite. »Du meinst also … Travis ist in mich verliebt?«
    »Allerdings. Schnapp ihn dir, Lula. Er ist der Beste aus dem ganzen Wurf.«
    »Aber er ist noch so klein. Schließlich bin ich zwölf und er ist erst elf. Stimmt doch, oder?«
    »Hm, stimmt.« Genau genommen war er erst zehn, aber ich hatte wirklich nicht vor, seine erste zarte Liebe so mit Füßen zu treten. »Aber denk dran, Lula – ich durfte dir nichts davon sagen. Du verpetzt mich nicht, gut?«
    Sie gab mir ihr größtes Indianerehrenwort. Ich hätte es gern mit Spucke besiegelt, aber das wäre zu viel gewesen für Lula.
    Am selben Abend suchte ich Harry auf, der gerade einen Brief schrieb.
    »Hallo, mein Kätzchen«, sagte er abwesend.
    »Sag mal, Harrry«, begann ich, »hast du schon mal ein Mädchen geküsst?«
    Er sah mich überrascht an. »Wieso fragst du?«
    »Ich hab mich bloß gefragt, wie das wohl so ist.«
    »Ich hab tatsächlich schon mal ein Mädchen geküsst«, sagte er lächelnd, »und das war schön.«
    »Was ist denn so schön daran?«
    »Es ist einfach so. Wart nur ab.«
    »Und wen hast du geküsst?«, wollte ich wissen.
    »Das kann ich dir nicht sagen, Callie. Ein Gentleman würde nie darüber sprechen.«
    »Wieso nicht? Mir kannst du’s doch sagen, bei mir sind Geheimnisse sicher.« Oder auch nicht, dachte ich. »Hast du diese Minerva Goodacre geküsst?«
    »Nein, die nicht. Aber sie hat mir immerhin einmal erlaubt, ihre Hand zu halten.«
    »War das auch schön?«
    »Sehr schön. Schrecklich schön. Aber jetzt geh!«
    »Wieso war das schön?«
    »Weil mein Kätzchen heute ein Quälgeist ist. Und jetzt lass mich allein.« Doch dabei lächelte er. Offensichtlich hing er angenehmen Erinnerungen nach.
    »Sehnst du dich nach ihr, Harry? Seufzt du, wenn du an sie denkst?« So lange diese dämliche Minerva Goodacre in sicherer Entfernung war, sprach nichts gegen so ein bisschen Seufzen und Sehnen als rein romantische Übung.
    »Eine Zeitlang war das sicher so.«
    »Und jetzt nicht mehr?«
    »Nein, jetzt nicht mehr. Würdest du nun bitte gehen?« Gerade wollte ich zur Tür hinaus, da rief er mir nach: »He, warte mal. Wieso willst du das eigentlich alles wissen?« Er sah mich verschmitzt an. »Gibt es da vielleicht einen Jungen, von dem du uns nichts gesagt hast? Dein erster Verehrer?«
    »Nein, nein, nein.« Ein ersticktes Lachen kam aus meiner Kehle. »Nein.«
    »Wieso auch nicht? Eines Tages werde ich dich an einen reizenden Prinzen verlieren, der dir einen gläsernen Schuh anbietet, Cal.«
    »Sag so was nicht!« Ich lief zu ihm und schlang die Arme um ihn. Ohne dass ich gewusst hätte, warum, war mir plötzlich zum Weinen zumute. »Warum musst du heiraten? Warum muss ich heiraten? Warum können wir nicht alle hier zu Hause wohnen bleiben?«
    »Das ist ganz in Ordnung so, mein Kätzchen. Eines Tages wirst du deine eigene Familie haben wollen.«
    »Eines Tages – ständig sagt das jemand zu mir. Ich bin es so leid«, murmelte ich in seine Weste.
    »Zu mir haben sie das auch gesagt.«
    »Zu dir auch?«
    »Das kann einen so wütend machen, stimmt’s? Sie sagen es zu jedem, und jetzt fange

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