Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
Vom Netzwerk:
musst dir keine Sorgen machen, Alberto führt sie am Zügel, sie beißt also nicht. Aber falls du Angst hast – ich kann auch erst reiten.«
    »Gut, Callie, das wäre nett«, sagte Lula, und wir entschuldigten uns.
    Travis zeigte wieder einmal, dass er für sein Alter bewunderungswürdig geschickt im Umgang mit Menschen war – er folgte Lula zwar mit Blicken, blieb aber bei Mrs. Gates zurück, um sie weiter zu umgarnen. Der Junge wurde wirklich schnell groß.
    Als wir an den langen, aufgebockten Tischen vorbeikamen, die unter der Last der Speisen ächzten, sah ich, wie Sul Ross sich gerade mit zwei voll beladenen Tellern Kuchen zwischen den Bäumen verdrücken wollte. Ich hatte völlig vergessen, dass ich ja auf ihn aufpassen sollte. Bei ihm waren immer die Augen größer als der Mund. Ich hatte ein ganz schlechtes Gewissen, aber andererseits – mit acht Jahren sollte man doch wissen, wie viel man vertrug, oder? Außerdem war es ja auch mein Geburtstagsfest.
    Wir kamen beim Hufeisenwerfen vorbei, das von Harry beaufsichtigt wurde. Er hielt mit dem einen Auge Sam Houston im Blick, der für seine wilden Würfe bekannt war, mit dem anderen folgte er Lulas älterer Cousine Fern Spitty, die in der Nähe vorbeispazierte und ihren weißen Sonnenschirm mit Spitzenbesatz herumwirbeln ließ.
    »Callie«, begann Lula vorsichtig, »es kam mir so vor, als wärst du schlechter Laune. Ist dir nicht gut?«
    Ich war hin- und hergerissen, ob ich ihr alles erzählen sollte. Ob sie wohl verstehen würde, was ich durchmachte – Lula, die angehende Prinzessin im Reich der Garnröllchen und Spitze? Seit Jahren waren wir schon Freundinnen, doch in letzter Zeit kam es mir so vor, als sprächen wir nicht mehr dieselbe Sprache. Andererseits machte mich der Gedanke traurig, meiner besten Freundin nicht erzählen zu können, dass meine Pfote in einer Falle eingeklemmt war. Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sagte stockend: »Ich … ich bin nicht wie du, ich mag diesen ganzen Kram nun mal nicht, all dieses Stricken und Nähen. Außerdem kann ich’s auch nicht gut. Ich will was anderes mit meinem Leben anfangen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Das weiß ich noch nicht genau.«
    »Du meinst, du würdest gern Lehrerin werden, so wie Miss Harbottle? Aber dann hättest du keine eigene Familie! Willst du keine eigene Familie haben?«
    »Das weiß ich auch noch nicht genau.«
    Lula sah verwirrt aus. »Aber alle haben doch eine Familie. Oder nicht?« Sie dachte einen Moment nach, dann sagte sie: »Ah, ich weiß – du willst so was werden wie Maggie Medlin von der Telefonvermittlung. Die hat keine Familie.« Sie dachte wieder nach. »Sie verdient sogar richtig Geld. Das wäre schon schön, eigenes Geld zu verdienen …«
    »Ich weiß nicht, was ich mal machen will, Lula.« Doch auf einmal stand es vor mir – so plötzlich wie der erste schockierende Anblick der Sonnenscheibe, die sich über den Horizont schiebt –, da wusste ich, was ich machen wollte. So klar war es, dass ich mich fragte, wieso ich es nicht sofort gesehen hatte. Ich musste es nur noch laut aussprechen. Ob ich wohl den Mut dazu hatte? Es aller Welt kundzutun? Vielleicht sollte ich es jetzt mal ausprobieren, vor Lula, nur um zu hören, wie es klang?
    »Ich glaube«, begann ich, dann stockte ich. »Ich glaube, ich möchte an die Universität gehen.«
    »Wirklich?« Ob Lula beeindruckt war oder entsetzt, konnte ich nicht entscheiden. »Ich kenne niemanden, der an der Universität war. Warte mal – Miss Harbottle vielleicht?«
    »Nein, sie hat die Normalschule für Lehrer besucht. Sie hat nur so ein Zertifikat.«
    »Was macht man denn an der Universität?«, fragte Lula.
    »Man studiert.«
    »Und was?«
    »Alles Mögliche«, sagte ich, ein bisschen von oben herab. In Wirklichkeit hatte ich auch keine genaue Vorstellung davon, was man an einer Universität machte – ich dachte mir irgendetwas aus, während ich schon antwortete, aber das brauchte Lula ja nicht zu wissen. »Naturwissenschaften und solche Sachen«, sagte ich. »Man bekommt ein spezielles Diplom zum Beweis dafür, dass man da war.« Ich fürchtete schon, sie würde mich fragen, was man dann mit so einem Diplom macht, und ehrlich gesagt wusste ich das selbst nicht. Mit einem Mal packte mich ein Aberglaube: Wenn Lula mich jetzt fragte und ich nicht darauf antworten könnte, dann wäre es vorbei, dann würde ich es niemals an die Universität schaffen. Ich griff nach ihrer Hand. »Komm, Lula, gehen wir reiten!«
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher