Cambion Chronicles 1
Selbstsicherheit. »Aber Nadine, wir wollen hier doch keine Szene machen. Ich habe nur bemerkt, wie hübsch du bist, vor allem, wenn du wütend wirst.« Mr Ross warf einen verschlagenen Blick auf die Kundschaft und sagte: »Du … glühst förmlich.« Dabei riss er die Augen auf, um die unterschwellige Bedeutung zu betonen.
Nadine verstand den Wink, holte geräuschvoll Luft und schloss schnell die Augen.
Mit einem triumphierenden Lächeln fuhr er fort: »Genug der Höflichkeiten, hat eine der Damen meinen Sohn gesehen? Ich habe ein paar Dinge mit ihm zu bereden.«
»Sie erreichen ihn bestimmt über sein Handy«, sagte Nadine mit vor Wut zitternder Stimme.
»Er ruft irgendwie nicht zurück, also habe ich beschlossen, ihn persönlich aufzusuchen.« Er blickte um Nadine herum und versenkte seine Augen in meine. »Samara, komm mal her, Liebes.«
Mechanisch näherte ich mich dem Objekt meiner Verachtung, nachgiebig und ohne jede Widerrede. Obwohl ich mir dessen vollauf bewusst war und die polnischen Kraftausdrücke hinter mir nur allzu deutlich hörte, kam es mir nicht in den Sinn, mich zu widersetzen. Als ich den Tresen erreichte, strich er mir eine Locke aus dem Gesicht und streichelte meine Wange. Er sah Caleb beängstigend ähnlich.
»Kein Wunder, dass mein Sohn so besitzergreifend ist, was dich angeht«, sagte er mit einem geheimnisvollen Lächeln, als amüsierte er sich über einen Witz, den nur er kannte. »Wir haben noch viel zu besprechen, du und ich, aber wärst du jetzt erst mal so freundlich, mir zu sagen, wo ich meinen Sohn finde?«
Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen, als wollte er die Worte hochwürgen.
»Geh weg von ihr«, knurrte eine Stimme hinter ihm und löste damit den Bann. Mr Ross drehte sich um und sah den kampfbereiten Caleb.
Kapitulierend hob Mr Ross die H ände und wich vom Tresen zurück. »Das ist nicht nötig. Ich will nur mit dir reden.«
Caleb machte eine Kopfbewegung zum Ausgang hin. »Draußen.«
Während Mr Ross voranhinkte, sah Caleb Nadine aus schmalen Augen an und formte mit den Lippen lautlos die Worte Pass auf sie auf .
Nadine nickte und zog mich nach nebenan in die Küche, bevor ich protestieren konnte. Sie packte mich an den Schultern und beugte sich zu mir, bis sie mir direkt in die Augen sah. Ihre Lippen zitterten, auf Stirn und Oberlippe standen Schweißperlen. Die Intensität ihres Blicks verblüffte mich.
»Sieh mich an!«, befahl Nadine und rüttelte an meinen Armen. »Sieh mich an, Sam. Was siehst du?«
»Ich sehe dein Gesicht – deutlicher, als es mir gerade lieb ist.«
»Schließ die Augen.« Als ich zögerte, schüttelte sie mich wieder. Ich schloss die Augen, und sie fragte: »Was siehst du?«
»Dunkelheit. Nadine, was soll … «
»Du siehst nicht Mr Ross’ Gesicht oder sonst ein Bild?«
»Nein.«
Sie atmete hörbar aus und ließ mich los. »Gut.«
Ich öffnete die Augen und sah sie zusammengesunken am Geschirrspüler lehnen. Ihre Muskeln versteiften sich, als sie sich auf der metallenen Oberfläche abstützte. Ich hatte sie noch nie so beunruhigt gesehen – und das löste bei mir eine ungeahnte Panik aus. »Was sollte das?«
»Mr Ross ist ein sehr starker Cambion, und er weiß seine Macht zu nutzen.«
»Glaubst du, er hat sie bei mir eingesetzt?«, fragte ich.
Sie holte tief Luft, um ihre Fassung wiederzugewinnen. »Ich weiß es. Ich musste nur herausfinden, wie sehr.«
Ich verstand kein Wort. »Caleb hat gesagt, ich bin immun gegen die Anziehung.«
Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und rückte ihren Haarknoten zurecht. »Gegen Calebs Anziehung, ja, weil er noch jung ist. Sein Vater ist älter und stärker. Er kann Anziehung im Handumdrehen ein- und ausschalten. Keine Frau kann ihm widerstehen, wenn er seinen Charme auspackt. Sogar ich spüre das. Eigentlich ist er sogar zu stark. Das kann nur eins bedeuten.« Sie verstummte, als würde ihr etwas Wichtiges klar.
»Was?«
»Ich habe dir doch gesagt, dass es nicht gut ist, ein ganzes Leben zu nehmen. Man wird mehr Dämon als Mensch, aber man wird auch mächtig. Mr Ross steht an dieser Schwelle, und er will mehr. Konntest du seinen Hunger nicht spüren?«
»Eigentlich nicht.« Das war nicht gelogen, ich war nur zu beschäftigt mit meinem eigenen Hunger gewesen, um es zu bemerken.
Sie nickte. »Deine Willensstärke und Unschuld arbeiten gegen die Anziehung und geben dir große Widerstandskraft. Du reagierst nicht so heftig wie die meisten anderen, du kannst immer noch
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