Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
nicht niedergedrückt, aber spätestens nach der Diashow und der Chorversion von My Heart Will Go On war es so weit.
»… und ich so: ›Klar hätte ich gern einen Kaugummi‹, und da wusste ich, dass wir einfach füreinander bestimmt sind. Das ist Schicksal. Jedenfalls gehe ich heute bei Dougies Training zugucken. Kommst du mit?« Mias Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
»Äh, nein, danke. Die Männerpornos lasse ich heute mal aus«, frotzelte ich.
»Wrestling ist ein Leistungssport.« Mia zog eine Schnute.
Ich schob mein Handy in meine Gesäßtasche. »Kann sein, aber ich sehe mir lieber nicht all seine Vorzüge in diesem unanständigen Outfit an. Ich kann mir vorstellen, wie so ein Kampf abläuft: Sie rollen über den Boden, schlingen ihre Gliedmaßen ineinander, dann die leidenschaftliche Umarmung … «
»Das heißt Würgegriff, Sam«, warf Mia ein und schüttelte entrüstet den Kopf. »Du kannst Witze machen, so viel du willst, aber mein Süßer ist total männlich .«
Mir lag eine gute Antwort auf der Zunge, aber sie kam mir nicht über die Lippen, denn Mias Gesicht sah plötzlich ganz verzerrt aus und verlief in mehrere Farbkleckse. Mir wurde schwindelig, und ich schwankte auf meinem Stuhl. Ich erinnere mich nicht daran, wie ich zu Boden stürzte, aber ich sah, wie die anderen plötzlich im Kreis auf mich herabschauten.
Mr Carver stand über mir, sein überhängender Bauch verdeckte den Rest seines Körpers. Rasch streckte er seine große, verschwitzte Hand aus und half mir auf die Beine. »Alles in Ordnung mit dir, Samara?«, fragte er.
»Ja, mir ist nur etwas schwindelig.«
Er zog einen Notizblock aus seiner feuchten Hemdtasche und rückte die Brille gerade. »Musst du ins Krankenzimmer?«
»Nein, ich … « Ich hielt inne, als eine weitere Schwindelattacke mich erfasste. »Vielleicht ist das doch keine schlechte Idee.«
»Ich helfe ihr.« Mia nahm meinen Arm und führte mich aus dem Zimmer.
Draußen musste ich anhalten, mich gegen die Wand lehnen und mehrmals tief atmen, bevor ich mich den Flur hinunterwagen konnte. Die Welt bewegte sich langsamer als ich; Stimmen dröhnten hinter den Klassentüren, und die Unterhaltungen auf dem Flur rauschten mir in den Ohren, als würden sie unter Wasser geführt. Ich konzentrierte mich auf das letzte Zimmer auf der rechten Seite mit dem großen roten Kreuz auf der Tür. Meine Augen fixierten das Kreuz selbst dann noch, als ich den Türknauf drehte.
Ich warf einen Blick in das bescheidene Krankenzimmer mit den Cartoonfiguren, den Hygieneplakaten und den kitschigen Motivationssprüchen an der Wand. Das Arzneischränkchen im hinteren Teil des Zimmers war der feuchte Traum jedes Junkies und besser verschlossen als Fort Knox, obwohl das völlig unsinnig war. Ins Krankenzimmer kam man nur, wenn einem die Tampons ausgegangen waren oder man das private Klo benutzen wollte, wenn man mehr zu erledigen hatte, als nur zu pinkeln. Am gruseligsten fand ich den Kätzchen-Krimskrams, den Mrs Lafaye auf dem Schreibtisch und an den Wänden hortete.
Die kleine, ältliche Schulkrankenschwester kam auf mich zu und half mir auf das Feldbett an der Tür. Ich fiel auf das Kissen mit Papierüberzug und schloss die Augen, hauptsächlich, um das zuckersüße Kätzchenposter an der Decke nicht sehen zu müssen. Nach einem Becher Wasser, einer Schachtel Tierkekse und etwas Überzeugungsarbeit, dass ich keinen Krankenwagen brauchte, begann das Schaukelgefühl abzuebben. Ich konnte Geschnatter und das Quietschen von Turnschuhen vor der Tür hören, und ich zog den Vorhang zu, um mir ein wenig Privatsphäre zu verschaffen.
»Soll ich deine Mutter anrufen, damit sie dich abholt?«, fragte Mrs Lafaye mit einem melodischen Klang in der Stimme, der hervorragend zu einem Zauberstab und Feenstaub gepasst hätte.
»Es geht schon. Die Schule ist ja gleich zu Ende.«
»Gut, bleib einfach noch ein paar Minuten hier, dann kannst du gehen.« Sie ging wieder zurück an ihren Schreibtisch zu den Katzendevotionalien. Ihre weißen Hosen raschelten bei jeder Bewegung.
Ich grinste und griff nach meinem Handy, das plötzlich vibrierte. Ich hob es ans Ohr und wusste sofort, wer dran war. »Hi.«
»Hi, wo bist du?«, fragte Caleb. Er klang etwas außer Atem und erschöpft.
»Ich bin jetzt im Krankenzimmer. Mir wurde im Unterricht schwindelig. Ich habe heute Mittag vergessen zu trinken, und dafür muss ich jetzt büßen.«
»Äh, ja, also was das angeht … «, begann er zögernd. »Das war
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