Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
regelmäßiger Besucher, und er kam immer unangekündigt.
In den Mantel ihrer Mutter gewickelt, blieb Olivia an der Tür stehen und warf mir über die Schulter einen Blick zu. Es hielt nicht lang, aber ich sah, wie ein kleines Lächeln ihren Mund umspielte. Ich hatte keine Ahnung, was dieser Blick bedeutete, aber ich ahnte, dass unser Streit bis auf Weiteres auf Eis lag. Die Chancen, dass aus uns mal Brieffreundinnen wurden, waren gering bis nicht vorhanden, aber wir waren Cambion-Geschwister, und das war schon mal was. Was genau, das wusste ich allerdings nicht.
Mom und ich sahen zu, wie das Auto aus unserer Straße wegfuhr. Als das Haus wieder still war, wurde mir bewusst, wie extrem müde ich war – nicht nur körperlich, sondern emotional, mental und kosmisch erschöpft. Ich wollte nur noch ins Bett kriechen und sterben. Eine warme Decke und weiche Kissen waren nur ein paar Meter entfernt, aber angesichts des Schlafentzugs und des Stresses kam es mir wie fünf Meilen vor.
Was für ein Start in ein neues Jahr.
»Da muss etwas unternommen werden«, grummelte Mom und starrte auf die Straße hinaus.
Ich gab den Sicherheitscode in die Alarmanlage neben der Tür ein. »Ich weiß, aber erst brauchen wir ein bisschen Schlaf.« Ich drehte mich um und bemerkte, dass Mom nicht mehr hinter mir stand.
Als ich die Veranda erreicht hatte, war sie schon über die Straße zum Rasen der Nachbarn gelaufen. Sie starrte auf die Krippe und nahm die himmlische Pracht in sich auf. Als wäre das etwas ganz Normales, beugte sie sich hinunter und nahm das Baby aus der Krippe.
Mit offenem Mund sah ich zu, wie sie wieder zum Haus zurückging, das Porzellankind im Arm. Es war offiziell, meine Mom hatte komplett den Verstand verloren, und das war meine Schuld, wenn auch nur indirekt. Ich hatte diese Seuche über uns gebracht, und es gab keine Heilung.
Als sie auf die Veranda trat, fragte ich: »Mom, was machst du da?«
»Es ist höchste Zeit, dass jemand die Cunninghams mal auf Normalmaß zurechtstutzt.« Mom klemmte die Deko unter den Arm und ging hinein.
»Das kann man auch anders regeln, weißt du. Bist du verrückt? Ich fasse es nicht, du hast das Jesuskind gestohlen!«, schrie ich.
»Nein, ich bin nicht verrückt, nur müde. Nach allem, was heute Abend passiert ist, brauchen wir es im Moment sehr viel dringender als die.« Mom stieg die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Als sie oben war, rief sie herunter: »Und du hast immer noch Hausarrest!«, gefolgt vom Zuknallen ihrer Zimmertür.
17
Komm schon, Sam. Erzählst du mir wenigstens ein kleines bisschen?«, jammerte Mia und schaukelte in ihrem Drehstuhl hin und her.
»Nee. Das ist persönlich«, antwortete ich und drehte meinen eigenen Stuhl wieder zum Computer. Wir durften im Computerraum eigentlich nicht reden, aber diese Regel, genau wie die meisten anderen Schulregeln, galt nicht für Mia.
Ich hatte keine Ahnung, woher sie wusste, dass Caleb und ich es getan hatten, aber kaum dass sie mich heute Morgen gesehen hatte, hatte sie auch schon angefangen, mich deswegen zu nerven – ohne erst Hallo zu sagen oder so was in der Art. Sie gaffte mich die ganze erste Stunde hindurch an. Ich prüfte immer wieder, ob über meinem Kopf ein Neonschild mit den Worten ICH HATTE WAS MIT CALEB hing, denn so eindeutig war es, wenn ich Mia Glauben schenkte.
»Oh bitte, ich habe dir doch letzten Sommer auch alles über mich und Dougie erzählt«, flüsterte sie laut genug, dass jeder im Computerraum es hören konnte. Mehrere Mitschüler drehten sich zu Mia um, musterten sie und tippten dann weiter. Mr Carver, der Assistenzlehrer mit den hyperaktiven Schweißdrüsen, saß hinter seinem Schreibtisch und schnüffelte an seinem Tipp-Ex-Stift, als er glaubte, dass niemand hinsah.
Ich lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Monitor. »Ja, gegen meinen Willen. Und du hast es mir nicht nur erzählt, du hast es quasi nachgetanzt.«
Über das Geklapper der Tastaturen hinweg hörte ich die Räder von Mias Stuhl näher heranrollen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie sich von links in mein Blickfeld schob, und ich hatte fast schon die Titelmelodie von Der weiße Hai im Kopf. »Komm schon, mir kannst du es doch erzählen. War es seltsam?«, fragte sie.
»Ja, es war komisch, schmerzhaft, chaotisch und dann irgendwie fantastisch.« Mehr als Adjektive würde sie nicht von mir bekommen. Erstens war es zu merkwürdig, um es jemandem zu erklären, der nichts mit Dämonen am Hut hatte, und zweitens wollte
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