Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
Aufzehrung war – mir fiel kein besseres Wort ein – der reinste Overkill. Jemand hatte den Typen ausgesaugt, bis er aussah wie eine Mumie, und nur Mom und ich wussten, wer dieser Jemand war.
Die Polizei hatte das Haus mit Flatterband abgesperrt, und wieder einmal war ich die Hauptperson an einem Tatort. Nichts deutete darauf hin, dass ich irgendetwas anderes getan hatte, als mich zu verteidigen, aber es gab einfach zu viele seltsame Zufälle in der einst so ruhigen Stadt Williamsburg, um einfach darüber hinwegzugehen. Ich hatte inzwischen schon Übung und antwortete so präzise wie möglich, während Lilith den jungen Polizisten bezirzte, der meine Aussage aufnahm. Mein Anblick allein genügte, um ihn ungeschickt durch die Befragung stolpern zu lassen, und das Gespräch wich mehr vom Thema ab, als es mir lieb war.
»Und, was haben Sie heute noch vor? Brauchen Sie jemanden, der heute Nacht das Haus bewacht, nur zur Sicherheit?«, fragte er mit heiserer Stimme so leise, dass nur ich es hören konnte.
Die Frage überraschte mich ganz und gar nicht. Nur die Willensstarken und die Unberührten waren gegen die Anziehung eines Cambions immun, wer dagegen Liebeskummer oder andere emotionale Probleme hatte, war vollkommen chancenlos. Auch wenn er ganz niedlich war, das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Romantik, nicht während der Gerichtsmediziner einen Leichensack auf einer Bahre durch die Diele schob.
»Äh, Sir, Sie sollten wissen, ich bin erst siebzehn, und außerdem passen schon jede Menge Leute auf mich auf. Mein Freund wird darauf achten, dass mir nichts passiert.« Ich machte eine Kopfbewegung zu Caleb hin, der in der Tür zur Küche stand und den jungen Polizisten mordlustig anfunkelte.
Er war etwa zur selben Zeit eingetroffen wie die Polizei, aber es war besser, dass er auf Abstand blieb, solange die Ermittlungen noch in vollem Gange waren. Caleb war schon bekannt dafür, immer zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, und er wollte nicht noch mehr Verdacht auf sich lenken, indem er sich einmischte. Dass er mitansehen musste, wie Officer Pädo-Phil mich anbaggerte, würde diesen Plan jedoch möglicherweise zunichtemachen. Es war schwer, seine Eifersucht nicht niedlich zu finden. Ich musste auf der Arbeit täglich mit Frauen klarkommen, die ihn praktisch ansprangen, und es erschien mir nur fair, den Spieß auch mal umzudrehen.
Sobald die Sanitäterhorde verschwunden war, setzten wir uns im Esszimmer zusammen, um Tee zu trinken und nachzudenken, was auch dringend nötig war. Irgendwie, vielleicht durch eine göttliche Fügung, hatte ich es bis hierher geschafft, ohne völlig zusammenzubrechen. Aber das hatte bestimmt etwas mit meiner besseren Hälfte zu tun, die mir nicht mehr von der Seite wich.
Caleb stützte einen Ellbogen auf den Tisch und lauschte Moms Tiraden, während er mir über den Rücken strich. Er hatte in der letzten Stunde nur sehr wenig gesagt, aber ich sah, dass sein Gehirn hinter den Kulissen ratterte. Bestimmt waren ihm längst die Beine eingeschlafen, aber er ließ nicht zu, dass ich seinen Schoß verließ, und ich wusste, dass das eher ihn tröstete als mich.
»Viele Haushaltsunfälle passieren in der Küche«, fuhr Mom fort. »Oder vielleicht auf der Treppe. Jemand könnte da leicht stürzen und sich das Genick brechen oder auch in der Dusche ausrutschen – die Fliesen können ganz schön glitschig sein. Oder noch besser, es könnte ein Feuer ausbrechen. Jetzt in der Weihnachtszeit ist doch alles voller Lichterketten und Kabel.«
»Mom, vielleicht solltest du eine von deinen Tabletten gegen Angstzustände nehmen«, schlug ich vor.
Moms Kopfschütteln sah aus wie ein Zucken. »Die machen mich benommen, und ich muss doch dafür sorgen, dass das Haus sicher ist. Jemand könnte noch mal versuchen einzubrechen. Niemand weiß, ob dieses … Ding nicht das Haus beobachtet. Und ich muss zum Supermarkt und mehr Olivenöl besorgen. Das Haus ist jetzt befleckt. Hast du nicht gesagt, eine Leiche hebt die Wirkung des Öls auf? Wir müssen dein Zimmer reinigen und das Fenster vernageln, aber vielleicht solltest du heute Nacht lieber nicht da schlafen. Du musst bald ins Bett. Du hast morgen Schule. Ach herrje, ich muss dich morgen fahren, oder?«
Ich sah sie argwöhnisch an. »Äh, nein. Ich habe heute doch mein neues Auto bekommen, weißt du nicht mehr?«
Mom rieb sich das Gesicht mit beiden Händen. »Ach ja, richtig. Also, ich sollte wohl Evangeline anrufen. Sie wird wissen
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