Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
Menschenfleischpasteten und allem Drum und Dran. Offenbar lag Nadines Liebe zu allem Tragischen und Makabren in der Familie. Typisches Beispiel: das Buch in Olivias Hand. Ich neigte den Kopf, um den Titel zu lesen.
»› Ich (Herz) dich, stech-stech‹ . Was ist denn nur los mit euch Kids heutzutage?«
»Das ist gar nicht schlecht. Es geht um einen Jungen, der ausgegrenzt wird, weil sein Vater ein Serienmörder ist und bald exekutiert werden soll. In der Schule wird der Junge gemobbt, also beschließt er, das Familiengeschäft weiterzuführen. Er ist richtig gut – sehr clever, wie er nach und nach die beliebten Typen umbringt, die ihn gemobbt haben, und sich nicht erwischen lässt. Dann lernt er ein Mädchen mit Depressionen kennen, die versucht, sich umzubringen, und er rettet sie merkwürdigerweise. Eigentlich war er ihr gefolgt, um sie umzubringen.«
»So nach dem Motto:›Du tust mir so leid, ich bringe es jetzt nicht mehr übers Herz, dich umzubringen, lass uns doch mal ausgehen‹«, fasste ich zusammen.
Olivia nickte. »Als sie sein ›Hobby‹ entdeckt, weigert sie sich, ihn zu verlassen. Es ist widerwärtig, wie sie um diesen Mörder herumscharwenzelt, nur weil er süß ist und auf sie aufpasst. Selbst wenn sie nichts von seinen Verbrechen wüsste, die Vergangenheit seines Vaters sollte doch eigentlich reichen, damit sie sich von ihm fernhält, findest du nicht, Samara ?«
Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass wir nicht mehr über das Buch redeten. Die Handlung kam Caleb und der Vergangenheit seiner Familie doch etwas zu nahe. Ich wusste, dass Olivia verbittert war, und sie hatte auch jedes Recht dazu, aber sie kannte nicht die ganze Wahrheit. Ihre Schwester war keine Heilige gewesen und hatte ein paar üble Leichen im Keller. Eine davon hieß Tobias.
Olivia nahm ihre Bücher und sagte: »Ich erzähl dir dann, wie es ausgeht. Aber ich weiß schon jetzt, dass es kein Happy End gibt.« Mit einem fiesen kleinen Grinsen zum Abschied schwebte sie in eine ruhige Ecke des Cafés, ohne den dreifachen Vater zu bemerken, der über sein jüngstes Kind stolperte, weil er sich den Kopf nach ihr verrenkte.
Es ist schwer, nicht paranoid zu werden, wenn dich an jeder Ecke Leute beobachten. Wenn nicht Gunnar durchs Café patrouillierte, schlich Ruiz durch die Gänge und sah nach, ob Caleb sich auch anständig benahm. Hatte in dieser Stadt denn niemand mehr ein eigenes Leben?
Ich konnte meine Pause gar nicht erwarten, und als sie endlich kam, flüchtete ich in den Pausenraum. Caleb saß am Klapptisch und hatte einen Kopfhörer im Ohr. Die unvermeidliche Weihnachtsmütze und eine Tüte Süßigkeiten lagen neben ihm auf dem Tisch. Mit einer Hand scrollte er durch die acht Gigabyte Musik auf seinem Handy, mit der anderen kritzelte er Notizen. Robbie Ford hatte ihm wohl wegen der Party Bescheid gesagt, und nun erstellte er eine neue Playlist.
Ich hatte ihn im Pausenraum nicht erwartet. Um ehrlich zu sein, war ich ihm den ganzen Tag aus dem Weg gegangen und hatte versucht, ihn mir nicht nackt, tropfnass oder mit Schokosauce überzogen vorzustellen. Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich auf sinnvollere Gedanken. Ich musste Caleb dazu bringen, sich wenigstens so weit zu öffnen, dass wir miteinander reden konnten, denn mal ehrlich, im Moment klappte die Kommunikation mit meiner Zahnbürste noch besser als mit ihm.
Caleb weigerte sich immer noch, über irgendetwas zu sprechen, was mit Cambions zu tun hatte – über unsere Verbindung, über die Inquisition und auch über den möglichen Krieg, der seinetwegen vielleicht angezettelt werden würde.
»Wenn die Zeit kommt, werde ich tun, was ich tun muss, selbst wenn das bedeutet, Capone auf alle Anwesenden zu hetzen. Ich werde niemanden mehr verlieren, der mir nahesteht, und niemand wird meinetwegen sterben.« Mehr hatte er zu dem Thema nicht zu sagen. Und das war vor drei Tagen gewesen.
Vielleicht sah nur ich das so, aber es klang beängstigend nach einem Abschiedsbrief. Meinem Schlaf hatte das in den letzten Nächten nicht gerade gutgetan. Auch wenn Caleb es zu verbergen versuchte, hatte ich bemerkt, dass er mehr trank; von drei, manchmal vier Frauen pro Tag, um Reserven für die große Schlacht anzulegen, die ich verhindern wollte. So gut ich seinen Schmerz verstehen konnte, wir mussten das zusammen lösen. Mit Brutalität kam ich bei ihm nicht weiter – das hatte ich schon versucht – , also brauchte ich eine neue Taktik: Verführung.
In der nächsten
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