Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
Dougie, wir wollen dich ja nicht von deinen vielen sozialen Verpflichtungen abhalten. Arbeitest du nicht gerade an Freundin Nummer sechs?«, fuhr ich ihm in die Parade.
»Ich gehe momentan mit niemandem aus. Ich will mich nicht schon wieder binden, obwohl das im Moment echt nicht schwer wäre.«
»Wirklich?«, fragte ich.
Er riss seinen hungrigen Blick lang genug von Olivia los, um mich anzusehen. »Ja, die Mädels hier kommen einfach nicht drüber hinweg, dass Malik weg ist. Da braucht man nur eine Schulter zum Ausweinen anzubieten, eine traurige Geschichte über ihn zu erzählen und – bamm! – hat man sie. Nicht, dass ich es nötig hätte, so tief zu sinken. Das ist mehr was für die, die sonst keine abkriegen, versteht ihr?« Er strich sich über den Flaum an seinem Kinn und zwinkerte Olivia zu, die über seine Witzelei kicherte.
»Jetzt halt mal den Ball flach, Douglas.« Ich verdrehte die Augen und schnappte mir einen Stapel Zeitschriften, die wieder in die Regale geräumt werden mussten. Warum war Dougie überhaupt im Buchladen? Ich war mir immer noch nicht ganz sicher, ob der Typ überhaupt lesen konnte, und sonst war er nur manchmal hergekommen, wenn er auf der Suche nach …
»Mia! Hi! Was machst du denn hier?«, rief ich extralaut un d betont munter und verstellte ihr den Weg zu Olivias Tisch. Es brachte nicht viel. Ich war zu klein und das Café zu groß.
»Dasselbe wie alle anderen auch. Ich habe nach einem Outfit für die Party gesucht, bevor alles weg ist, und ein paar Weihnachtseinkäufe erledigt«, erklärte Mia und legte dann den Kopf schief, um hinter mich zu blicken. »Ich hatte dir doch eine SMS geschickt, dass ich auf … einen … Kaff… Störe ich?« Mias starrer, misstrauischer Blick ging zwischen Olivia und Dougie hin und her.
»Ja«, sagte Dougie und drehte seinen Stuhl so, dass er ihr den Rücken zukehrte. In all den Jahren, die ich Dougie nun kannte, war er noch nie so unhöflich zu Mia gewesen, und ich war mir sicher, wäre Olivia nicht in der Nähe gewesen, hätte er sich anders benommen.
Aber das würde ich wohl nie herausfinden, denn Mia stürmte davon und nahm jede Hoffnung auf Versöhnung gleich mit. Ich konnte den Blick nicht ignorieren, den sie mir zuwarf, als wäre das alles meine Schuld, denn es war meine Schuld.
Diese Dämon-Cambion-Geschichte machte mein Leben kaputt, und alles, woraus dieses Leben bestand, brach unter dem Gewicht der Heimlichtuerei zusammen. Ob durch Lügen oder Auslassungen, unehrlich war ich auf jeden Fall. Unehrlichkeit war ein Zeichen für Feigheit, aber ich war kein schlechter Mensch. Ich hatte das alles so satt, ich wollte das alles nicht mehr, und ich würde nicht mit all dem Ballast ins neue Jahr starten. Ich würde mein Leben auf die Reihe kriegen, selbst wenn es mich umbrachte. Nur nicht gerade jetzt, da so viele meiner eigenen Fragen noch unbeantwortet waren. Jetzt würde ich mich erst mal an die Lektion aus der Ursprungsgeschichte der Cambions halten: Wenn du es mit bösartigen Geistern zu tun hast, solltest du lieber den Mund geschlossen halten.
10
Die Weihnachtsferien verliefen ziemlich gesittet, wenn man bedenkt, dass ich sie mit meiner Familie verbrachte.
Mom und ich waren früh zu unserer Rundreise aufgebrochen: Weihnachtsgottesdienst mit Großvater Marshall, dann Frühstück in seinem Haus und die langweiligste Unterhaltung in der Geschichte der menschlichen Sprache.
Großvater war kein alter, dicker Kerl mit weißem Bart, und seine Behausung lag so weit vom Nordpol entfernt, wie man es sich nur vorstellen konnte. Da er die Heizung ziemlich aufgedreht hatte, fühlte es sich mehr nach Hölle als nach allem anderen an. Die große, inmitten von ausgedehnten Ländereien gelegene Casa de Marshall wirkte etwa so persönlich wie ein Mausoleum, und es gab nirgendwo einen Fernseher. Aber Großvater bestand darauf, uns beide regelmäßig zu sehen, bevor er starb. Das war sein neuster Slogan, dass er sterben würde … irgendwann.
Er wollte mich außerdem besser kennenlernen und mich davon überzeugen, meinen »Zustand« mit Elektroschocks behandeln zu lassen. Ein Mischling zu sein, war nach seiner Überzeugung schlimm genug, aber eines Tages plötzlich mit grünen Augen aufzuwachen, das ging gar nicht.
Ich verstand nicht ganz, wie ein paar gemeinsame Mahlzeiten siebzehn Jahre Scheinheiligkeit und Vernachlässigung wiedergutmachen sollten, aber Mom beschloss, es um ihres eigenen Seelenfriedens willen zu versuchen. Ich war
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