Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
ein besseres Ende geben sollte, musste ich mich zusammenreißen. Wenn Caleb jetzt nicht ausflippen durfte, dann durfte ich das auch nicht.
»Was zum Teufel ist hier los?« Angie kam im seidenen Nachthemd heruntergerannt und starrte fassungslos auf die Szene, die sich ihr bot. Szymon und Mishka stolperten im Schlafanzug hinterher und rieben sich den Schlaf aus den Augen. Ihr Anblick erinnerte mich an verzauberte Wälder, Brotkrumen und Pfefferkuchenhäuser. Instinktiv wollte ich ihnen die Augen zuhalten wegen all dem Blut, aber Angie war schneller und schickte sie wieder nach oben.
Weitere Fragen prasselten auf uns nieder, während Angie immer panischer wurde. Ich hatte keine Ahnung, welche ich zuerst beantworten sollte. Olivia befand sich immer noch in einer Art Schockstarre, Caleb schrie die Frau vom Notruf an, und Haden blutete den ganzen Marmorboden voll.
Michael, der auf dem Sofa lag, hatte wohl das Gefühl, die Situation verlangte nach einem jazzigen Soundtrack. Er schnippte mit den Fingern und sang wie Sinatra in seine Faust: »Gunnar hat ’ne Knarre, bumm, bummbumm. Gunnar hat ’ne Knarre.«
»Gunnar war das? Warum?« Angie schüttelte den Kopf, um die Verwirrung loszuwerden. »Er ist unser loyaler Leibwächter, seit Olivia ein Kind war. Warum sollte er so was tun?«
»Sie haben ihm was angetan«, behauptete Olivia aus Angies sicherer Umarmung heraus.
Caleb legte auf und sah Olivia wutentbrannt an. »Ja, das würde natürlich erklären, warum Haden hier alles vollblutet. Wir haben gar nichts getan.«
Olivia riss sich von ihrer Mutter los und giftete Caleb an: »Du tust immer irgendwas. Alles, was du anfasst, machst du kaputt. Ich töte dich, bevor du meinem Freund was antust.« Ihr Blick wanderte zu etwas hinter Calebs Schulter. »Gunnar!« Sie sprang über Haden hinweg und rannte zur Tür.
» Neeeein! «, ertönte es unisono.
Ich griff nach meiner Tasche auf dem Boden und wühlte nach der kleinen Sprühflasche mit Olivenöl. Ich war mir nicht sicher, was es nützen würde, aber es war die einzige Waffe, die ich hatte. Wenn wir Gunnar überwältigten, könnte ich ihn vielleicht zwingen, sie auszutrinken. Ein gewagter Plan, aber es war einen Versuch wert.
Alles schien in Zeitlupe abzulaufen, als wäre es unmöglich, sich schnell genug zu bewegen. Olivia schlüpfte durch die Tür, ihre zerzausten langen Haare flogen hinter ihr her, als sie in den Flur stürmte. Durch die Glastüren sah ich Gunnar aus dem Aufzug treten, die Pistole noch in der Hand. Da entdeckte er Olivia.
Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ich konnte die Veränderung ihrer Stimmung fast spüren: Erleichterung, Verwirrung, und als sie plötzlich stocksteif stehen blieb: Furcht.
Ich war an der Tür und Caleb direkt hinter mir. Gunnar betrachtete das Mädchen vor ihm. Durch seine neuen Dämonenaugen hindurch fiel seine Reaktion genau wie die der anderen aus, wenn sie Olivia ansahen. Er erblickte einen Geist, der zurückgekommen war, um ihn heimzusuchen. Einen kurzen Augenblick lang wurden seine Gesichtszüge weich, und er streckte die Hand aus, um sie zu berühren, als würde ihr Anblick ihn verzaubern.
»Olivia, lauf weg!«, rief Caleb.
Gunnar sah uns kommen und riss Olivia am Arm herum. Als er sie umdrehte, konnte ich ihr Gesicht sehen. Sie sah genauso entsetzt aus, wie ich es erwartet hatte. Gunnar richtete mit der einen Hand die Pistole auf uns und hielt mit der anderen die widerstrebende Olivia an der Kehle fest. Und so begannen die Geiselverhandlungen.
»Was willst du?«, fragte ich, meine Worte sorgfältig wählend. Ich durfte Tobias nicht vor Olivia beim Namen nennen. Das würde das Problem nur noch schlimmer machen.
»Das habe ich dir schon gesagt, und du wirst mir helfen.« Er schloss den Griff um Olivias Kehle fester. Sie schnappte nach Luft und gab erstickte Geräusche von sich, während ihre nackten Füße in der Luft baumelten.
Ich versteckte die Ölflasche in meinem BH , trat dann hinter Caleb hervor und streckte kapitulierend die Hand aus. Vielleicht würde er tauschen – mich gegen Olivia. Wenn ich nur nahe genug herankam, konnte ich ihn niedersprühen. »Schön, alles, was du willst – nur tu ihr nichts«, sagte ich.
»Lass meine Tochter los!«, schrie Angie von der Tür her.
»Mama!«, krächzte Olivia.
»Ah, die große Königin der Dämonenjäger. Du hast wirklich schöne Töchter.« Gunnar sah auf Olivias tränenüberströmtes Gesicht hinunter. »Es ist erstaunlich. Sie sieht genau wie sie aus.«
Weitere Kostenlose Bücher