Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
macht dich machtversessen, und diese Macht hat ihren Preis. Willst du zum Inkubus werden? Ist das dein Ziel? Denn so einen hab ich schon an der Backe, ich brauche echt nicht noch einen.«
»Was ich will«, stieß er durch zusammengebissene Zähne hervor, »ist, dass niemand mehr stirbt!« Er holte tief Luft, hielt inne und stieß die Luft dann in einem langen, zitternden Atemzug wieder aus.
Korrektur: Es war kein Atemzug. Es war eine Schallwelle der Wut. Die Luft wurde dick wie unsichtbares Wasser, in dem Wellen von einer Wand zur anderen liefen und dann wieder zu ihrer Quelle zurückkehrten. Das passierte zweimal, bevor die Wellen sich glätteten und das Zimmer wieder deutlich zu erkennen war.
»Na schön, das reicht. Vergiss es. Du bist ein erwachsener Mann und ich nicht deine Mami. Mach doch, was du willst. Tu mir nur einen Gefallen, mach mir nicht mein neues Auto kaputt oder verwandle dich in einen meiner Klassenkameraden, wenn du zum Dämon wirst, ja?« Ich wandte mich zum Gehen.
»Sam, warte, bitte. Es tut mir leid.«
»Von mir aus kannst du dir selbst leidtun. Ich habe schon genug Blut an den Händen.« Ich hielt meine fleckigen Hände in die Höhe, um deutlich zu machen, dass ich es wörtlich meinte. Ich ging ins Bad und knallte die Tür zu.
Drinnen betrachtete ich die Ausstattung, die mich nur daran erinnerte, dass ich weit weg von zu Hause war. Das Bad war geräumig und modern, hatte Fliesen in Erdtönen in der Dusche und auf dem Boden, schokoladenbraune Schränke und kugelige Glühbirnen über dem Waschbeckenspiegel. Ein Stapel plüschiger Handtücher lag auf der Platte neben einem erhöhten Porzellanwaschbecken in Form einer Schüssel.
Während ich zusah, wie sich das Wasser um den Ablauf rosa färbte, dachte ich über den wütenden Cambion nach, der hinter der Tür auf und ab ging und sein Möglichstes tat, um nicht noch mehr Möbel zu zerstören. Aber wenn das nun mal seine Art war, mit allem klarzukommen, wie konnte ich mir dann anmaßen, ihn zu verurteilen? Die Gefühle hatten sich heute Nacht ziemlich aufgeschaukelt, und wir würden nichts erreichen, wenn wir übereinander herfielen. Die Anzahl der Opfer stieg zusehends, und seine Familie lag in Trümmern, alles wegen Besessenheit und Macht – wegen genau der Macht, für die er seine Seele aufs Spiel setzte.
Als ich mir die Hände abtrocknete, fiel mir wieder ein, was Tobias vorhin gesagt hatte. Er hatte etwas erwähnt, das ihm und Lilith angetan worden war, etwas, das wir nicht vergessen sollten. Hatte er von meinem Blackout gesprochen? Dann fiel mir ein, was Mia mir auf der Party erzählt hatte. Ich sah mich nach meinem Handy um und verfluchte mich dafür, dass ich meine Tasche oben in Angies Suite gelassen hatte. Meine Hand lag schon auf dem Türknauf, um sie zu holen, als mein Instinkt mir sagte, ich solle erst in meinem Top nachsehen. Genau wie Nana hatte ich die Angewohnheit, Dinge in meinem BH zu verstauen. Und da waren auch mein Handy und die Sprühflasche mit Olivenöl, die ich vorhin aus der Tasche genommen hatte. Ich stellte die Flasche neben das Waschbecken, dann scrollte ich auf dem Handydisplay nach unten und suchte nach den Notizen, die ich mir auf der Party gemacht hatte, aber die E-M ail an mich selbst war verschwunden. Ich sah im Gesendet-Ordner nach, aber ich fand keinen Beleg dafür, dass ich die Mail abgeschickt hatte.
Das war nicht im Suff passiert. Ich war stocknüchtern und ausreichend bei Verstand gewesen, um mein Handy blind bedienen zu können. Aber ich war ja auch nicht das einzige intelligente Wesen im Raum. Ich fragte Lilith nicht, ob sie die E-M ail gelöscht hatte. Vielleicht hatte ich einfach einen Fehler gemacht, aber allein die Möglichkeit, dass sie so etwas Hinterhältiges getan haben könnte, brachte mich zur Weißglut. Mit Sicherheit wusste ich nur, dass ich es satthatte, dass sie Informationen vor mir versteckte.
Alles lief immer wieder auf diesen Tag hinaus, auf sie. Ich war es leid, darauf zu warten, dass die Puzzlestückchen mir in den Schoß fielen. Menschen starben, und ich brauchte Antworten, und es gab nur eine, die sie mir geben konnte.
Ich hielt mich an der Platte neben dem Waschbecken fest und schrie in Gedanken: »Was ist nur los mit dir? Scherst du dich denn um niemanden außer um dich selbst?«
Keine Antwort.
Mein Blick fiel auf die Flasche auf der Platte. Sie war weniger als halb voll, es waren höchstens noch zwei Teelöffel drin, aber es reichte für das, was ich tun musste. Ich
Weitere Kostenlose Bücher