Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
»Verdammt! Wir stecken fest. Wir müssen zu Fuß weiter.« Er sieht in den Rückspiegel und dann aus seinem Fenster. »Wir können uns im Wald verstecken.«
»Ich kann nicht. Samara kommt zurück. Ich habe nicht mehr viel Zeit.«
Er hält mein Gesicht in den Händen und sagt mit weit aufgerissenen, panischen Augen: »Ich verlasse dich nicht, hörst du? Ich werde dich nicht noch mal verlieren.«
Eine Tür schlägt zu, und unsere Aufmerksamkeit richtet sich auf das Heckfenster. Der Jeep parkt einige Meter hinter uns, und zwei Männer springen zusammen mit Caleb heraus. Das müssen Haden und Michael sein.
Tobias nimmt meine Hand. »Los, sie kommen.«
»Ich kann nicht.« Ich weiche zurück und versuche, mich auf Capone zu konzentrieren. Ich muss seine Gefühle suchen und seine Motive erkennen. Das Wenige, was ich finde, lässt mich zusammenfahren. »Ich muss mit ihnen gehen!«
Tobias’ Körper erzittert bei meinen Worten. »Nein!«
»Wir wussten, dass es ziemlich aussichtslos ist. Geh einfach«, flehe ich. »Calebs Brüder sind bei ihm, und sie sind bewaffnet. Sie werden mir nichts tun, aber dich wollen sie töten.«
»Zuerst müssen sie mich kriegen«, sagt Tobias, und sein Körper beginnt sich vor meinen Augen aufzulösen. Ich strecke die Hand aus und berühre sein durchscheinendes Gesicht, das durch meine Finger rinnt wie Rauch. Ich darf ihn nicht verlieren, nicht so. Er hat recht; wenn es so enden soll, dann müssen sie ihn zuerst kriegen. Vielleicht kann ich sie ablenken.
»Samara!« Ich höre Calebs Stimme und näher kommende Schritte.
Ich öffne die Tür und sprinte auf den Wald zu.
»Samara!«, ruft Caleb. »Bleib stehen!«
Ich renne tiefer in den Wald hinein. Regen und nasses Laub schlagen mir ins Gesicht, aber ich habe keine Zeit, mich an dem Gefühl zu erfreuen. Bäume und Äste kreuzen mein Gesichtsfeld, bis ein dichtes Blätterdach das Tageslicht abschirmt. Ich kann Tobias nicht finden, aber ich spüre noch seine Nähe.
»Samara! Wo bist du?«, ruft jemand, aber ich kann nicht sagen, wer es ist.
Ein schwarzer Schatten taucht zu meiner Linken auf, dann ein zweiter rechts von mir. Zweige knacken. Blätter rascheln. Winzige Farbflecken blinken im Wald. Sie holen schnell auf, pflügen durchs Unterholz, versuchen, mir den Weg abzuschneiden. Sie bewegen sich wie ich, und sie springen über Sträucher und umgestürzte Bäume.
Ich renne schneller, immer schneller, bringe diesen Menschenkörper an seine Grenzen. Er kann nicht fliegen, wie ich es möchte, und er kann sich nicht in Atome auflösen und sich mit dem Äther mischen. Tobias hat mit erzählt, wie es ist, aufzusteigen, und vielleicht werde ich es eines Tages selbst erleben, aber im Moment muss ich in Bewegung bleiben. Ich darf nicht zulassen, dass sie mich finden, wie vergeblich das auch sein mag. Caleb wird immer wissen, wo ich bin, und er würde die ganze Erde nach seiner Gefährtin durchkämmen. Er ist so sehr ein Teil von mir wie Samara, und in diesem Augenblick hasse ich ihn.
Die Bäume werden immer spärlicher. Weiter vorn öffnet sich der Wald und gibt eine kleine gerodete Lichtung frei, die aussieht wie ein Friedhof voller Baumstümpfe und gestapelter Baumstämme, die wie verfallene Gräber wirken.
Ein scharfer Schmerz fährt mir in die Wirbelsäule, und ich stolpere und verliere an Geschwindigkeit. Samaras Wille gräbt sich in mich. Sie kämpft erbittert darum, mich zu Boden zu ringen, mich zum Stehenbleiben zu zwingen, aber ich muss in Bewegung bleiben. Nur noch ein bisschen weiter, noch ein bisschen länger. Ich brauche mehr Zeit, aber sie ist nicht in Geberlaune.
»Lilith!« Calebs Stimme hallt zwischen den Bäumen wider.
Ich suche den Wald ab, aber meine Sicht verschwimmt wieder. Mir wird schwindelig, und die Welt zieht sich zurück, wie sie es immer tut.
»Oh nein. Noch nicht, Samara, noch nicht.«
Ich bin nicht stark genug, aber ich werde noch eine Sekunde länger kämpfen, denn mehr als alles andere muss ich hierbleiben. Ich muss weiter, selbst wenn ich kriechen muss. Nur noch etwas weiter. Nur noch … ein …
»Lilith, bleib stehen, oder ich schwöre, ich schieße dir ins Bein!«, droht er.
Ich gehorche, drehe ihm aber den Rücken zu. Ich will ihm nicht in die Augen sehen. Ich weiß, was ich dann sehe. »Warum musst du immer alles kaputt machen?«, frage ich.
»Es ist eine Gabe.« Er kommt näher. Blätter und Gras rascheln unter seinen Füßen. »Wo ist Tobias?«
»Fort.«
»Du lügst«, sagt er irgendwo zu
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