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Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)

Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)

Titel: Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Reed
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ganzen Tag ruhig gewesen und hatte praktisch unter den Nachwirkungen des Bundes geschnurrt, aber jetzt war sie alarmiert aufgesprungen. Jemand war in der Nähe, jemand, den sie kannte, mit dem sie verbunden war. Wer es auch war, er hatte Angst.
    Bevor ich mich auf das Gefühl konzentrieren konnte, klopfte es an der Tür. Es war ein leises, schwaches Klopfen, aber ich hörte es trotzdem. Ich sah zu Mom hinüber, und sie stand langsam auf und ging zur Arbeitsplatte. Sie nickte mir kurz zu und zog dann ein Messer aus dem Messerblock. Mit Mom hinter mir ging ich zur Tür und drückte meinen Rücken gegen das Holz. »Wer ist da?«
    »Olivia«, antwortete eine leise Stimme von draußen und fing dann an zu schluchzen.
    Mom und ich sahen uns mit aufgerissenen Augen an. Ich griff nach dem Türknauf, aber Mom hielt mich auf.
    »Bist du allein?«, fragte sie.
    »Ja. Bitte helft mir.«
    »Wo ist Gunnar?«, fragte ich.
    Von draußen kam wieder ein Schluchzen und dann: » Prosz ę , wpuść mnie. «
    Na schön, Mom war an guten Tagen schon paranoid und wegen der jüngsten Ereignisse noch mehr, also fand ich es ganz und gar nicht seltsam, dass sie unseren Gast begrüßte, indem sie ein Fleischermesser auf ihr Gesicht richtete. Als Mom sah, dass es wirklich Olivia war, zog sie sie am Arm herein und schloss die Tür hinter ihr.
    Olivia stolperte in die Diele, und ich erkannte, in was für einem Zustand sie sich befand. Sie trug noch ihr schwarzes Partykleid. Schmutz und Kratzer überzogen ihre nackten Füße, ihre Beine und Arme. Blätter und Erde hatten sich in ihrem verfilzten Haar verfangen. Sie stand mitten in der Diele und umklammerte zitternd ihre Taille. Sie musste am Erfrieren sein, und ich fragte mich, wie lange sie in der Kälte umhergeirrt war.
    Als Mom die Tür abgeschlossen hatte, führte sie Olivia ins Wohnzimmer. Dort setzte sich Olivia aufs Sofa und sank in sich zusammen, den Blick fest auf den Boden geheftet.
    »Möchtest du einen Tee?«, fragte Mom und legte Olivia eine Decke über die Schultern.
    Sie schüttelte energisch den Kopf.
    Ich kniete mich vor ihr hin und rieb ihr die eisigen Füße. »Willst du uns erzählen, was passiert ist?«
    Olivia schüttelte wieder den Kopf. Blätter fielen ihr aus dem Haar. »Ich wusste nicht, wohin ich sonst gehen sollte. Ich bin stundenlang gelaufen, und dann habe ich dich gespürt. Ich habe mich an dein Haus erinnert und  … « Sie begann wieder zu schluchzen.
    »Hey, schon gut. Du bist hier in Sicherheit«, sagte ich. Dann bemerkte ich die Erde auf ihrem Kleid. »Willst du dich sauber machen? Du kannst das Bad  – «
    »Sie sollte jetzt nicht duschen. Erst wenn sie untersucht wurde«, unterbrach mich Mom mit dem Telefon in der Hand. »Olivia, Schätzchen, hat Gunnar dir wehgetan?«
    Olivia schaukelte vor und zurück und murmelte dabei vor sich hin: » Przykro mi. Przykro mi, proszę mi wybaczyć. Przykro mi. «
    Mom deckte die Sprechmuschel mit der Hand ab und fragte: »Was sagt sie?«
    Ich ignorierte sie und konzentrierte mich auf das zitternde Häufchen Elend auf dem Sofa. »Was tut dir leid, Olivia?«
    » On nie żyje «, murmelte sie.
    Ich zwinkerte und war mir nicht sicher, ob ich sie wirklich richtig verstanden hatte. »Wer lebt nicht mehr? Gunnar?«
    Sie nickte. »Ich  … habe ihn getötet.«
    »Oh« war alles, was ich sagen konnte. Darauf gab es einfach keine richtige Antwort.
    Mom, die sicher gerade Angie anrief, verschwand im Esszimmer, während ich weiter versuchte, Olivia aus ihrem Schockzustand zu befreien. Aber wenn ich noch länger in diesem Zimmer blieb, würde Olivia nicht die Einzige bleiben, die ein Trauma davontrug.
    Von der Stelle aus, an der ich kniete, sah ich eine bleiche Hand hinter dem Sofa hervorragen. Den Rest musste ich nicht sehen. Ich wusste, dass Nadine sich nicht bewegt oder umgezogen hatte oder versucht hatte, die gebrochenen Halswirbel zu heilen. Das würde ja dem Zweck zuwiderlaufen und die Wirkung zerstören. Dies war ein konserviertes Bild, dessen Klarheit weder die Zeit noch das Verblassen der menschlichen Erinnerung etwas anhaben konnte.
    In meinen Ohren baute sich Druck auf. Die Wände kamen auf mich zu, die Möbel schwankten und schmolzen zu dicken, wachsartigen Klumpen, aber ich wollte mich nicht bewegen. An diesem Punkt verließ ich sonst immer fluchtartig das Zimmer, aber ich musste für Olivia stark sein. Ich schaffte das.
    Ich konzentrierte all meine Energie, all meinen Willen auf das schiffbrüchige Mädchen vor mir und

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