Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
dann!« Ich beschleunigte meine Schritte, bevor sie mir folgen konnte.
Und es wurde noch schlimmer. Die Gerüchteküche brodelte, und bei jeder Wiederholung wurden die Geschichten übertriebener: gewaltige Explosionen, Blutvergießen und ein übermenschlicher Tatendrang, der jeden Comic-Helden hätte blass aussehen lassen. Nur meine Tischnachbarn trauten sich beim Mittagessen, nach dem Offensichtlichen zu fragen, also erzählte ich ihnen die Director’s-Cut-Version der Ereignisse. Einige Szenen fielen dabei natürlich der Zensur zum Opfer und würden den Schneideraum auch nie verlassen.
Die Mädchen waren jetzt noch gemeiner zu mir, was in einem Handgemenge in der Mädchentoilette gipfelte. In einem ordentlichen Faustkampf hätte ich mich behaupten können, aber nicht gegen vier wütende Mädchen mit spitzen Fingernägeln, die sich im Recht wähnten. Während dieses Überfalls warfen sie mir vor, ich würde Freunde ausspannen, Abschlussfeier- und Hochzeitspläne über den Haufen werfen und das Überleben der Menschheit im Allgemeinen gefährden.
»Du hältst dich wohl für was Besseres, hä?«, fragte eine sehr maskuline Elftklässlerin und schubste mich gegen das Waschbecken. Es war eine rhetorische Frage, und ich hatte keine Zeit zum Antworten.
»Allerdings, guck dir bloß mal ihre bekloppten Kontaktlinsen an, damit will sie doch nur weißer aussehen. Du bist so eine Poserin!«, mischte sich ein anderes Mädchen mit einem Krötengesicht ein, und riss meinen Kopf an den Haaren nach hinten.
Jetzt verstand ich, warum Caleb Gewalt verabscheute. Unsere Geister waren auch ohne Grund schon jähzornig genug, und ich musste höllisch aufpassen. Lilith war stocksauer und hätte diese dämlichen Kühe nur allzu gern für mich durch die Mangel gedreht, aber sie jetzt von der Leine zu lassen wäre praktisch Selbstmord gewesen.
Mit einer aufgeplatzten Lippe und unter Verlust eines Haarbüschels entkam ich dem Zickenterror und durfte zum Dank dafür, dass ich sie verschont hatte, auch noch nachsitzen. Wenigstens würde ich auf diese Weise mal zu meinen Hausaufgaben kommen.
Dachte ich zumindest.
Nach dem letzten Läuten machte ich mich auf den Weg in den Nachsitzraum. Meine große Klappe hatte mich schon häufiger dorthin gebracht, also wusste ich, was kommen würde. Die erste Reihe war besetzt von ein paar Klonen, alle mit schwarzen Schnürstiefeln, kajalumrandeten Augen und einem gekonnt gelangweilten Blick.
Die üblichen Verdächtigen hingen hinten herum: die Kiffer, die Schläger und, zu meiner Überraschung, Mia. Selbst wenn sie neongelb geleuchtet hätte, wäre sie nicht noch mehr aufgefallen. Ich war total von den Socken, ein Mitglied der Elite bei den Versagern hocken zu sehen. Ich reichte der dösenden Lehrerin meinen Nachsitzschein und flitzte nach hinten.
Ich setzte mich neben Mia und lächelte sie an: »Was geht?«
Mias Kopf wirbelte herum. »Hi, Sam. Dachte mir schon, dass ich dich hier treffe. Hab von der Show in der Mädchentoilette gehört. Gab’s Überlebende?«
»Gerade so«, grummelte ich. Noch ein Gerücht, das ich aussitzen musste. »Was führt dich denn an dieses lauschige Plätzchen?«
»Bin in Soziologie zum dritten Mal hintereinander eingeschlafen.«
»Warum schläfst du in der Schule? Hält dich nachts etwa jemand wach?«, fragte ich, obwohl mich bereits eine leise Ahnung beschlich.
In der dieswöchigen Folge von Reich und rücksichtslos hatte Mia beschlossen, die Samthandschuhe auszuziehen. Sie nutzte ihren Rang in der Schulhierarchie schamlos aus, um Gerüchte über Dougies Angebetete zu verbreiten. Im Gegenzug war Dougie mit einem schonungslosen Artikel zu Jason Lao marschiert. Darin verklickerte er all jenen, die es noch nicht wussten, dass Mia eine eifersüchtige Psychopathin war. Diese ganz und gar nicht bahnbrechenden Neuigkeiten untermauerten den Ruf der beiden als Mr und Mrs Smith im Highschool-Format und lieferten dem Klatsch weitere Munition.
Vor der fünften Stunde hatte mich Dougie am Spind abgefangen, um zu erfahren, was Mia als Nächstes plante. Er hatte allen Grund zur Besorgnis. Mit der lauten, aggressiven Mia konnte er umgehen, aber wenn sie schwieg, erwies sich das in der Regel als katastrophal für alle Beteiligten. Und wenn sie selbst mich über ihren Gegenangriff im Dunkeln ließ, hatte die Zielperson nicht den Hauch einer Chance.
»Warum sind so viele Mädchen hier? Und warum sehen sie alle aus wie frisch von der Goth-Akademie?«, fragte Mia und lenkte mich damit
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