Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
dich trotzdem liebt. Dein Verlust tut mir leid, aber ich kann dir höchstens meine Freundschaft anbieten. Wenn du das möchtest.«
»Ich nehme alles, was du mir gibst, Blümchen.« Seine Lippen verzogen sich zu einem freundlichen, unbeschwerten Lächeln, während er mir beim Einsteigen half. »Vorerst.«
Wir redeten nicht viel auf dem Rückweg zur Schule, was mir gut in den Kram passte, weil ich nachdenken musste. Diese übernatürliche Welt wurde immer größer, und trotzdem fühlte ich mich eingesperrter als je zuvor. Die Episode mit Liliths Erinnerung ließ den Raum sogar noch enger erscheinen. Es stimmte, ich ließ meine Gedanken manchmal schweifen und träumte vor mich hin, aber dass Lilith mich steuerte wie eine Marionette, war dermaßen daneben, dass ich keine Worte dafür fand. Wie lange ging das schon so? Ich musste auf jeden Fall ein ernstes Wörtchen mit ihr reden, sobald wir zu Hause waren.
Tobias, der wieder seine wahre Gestalt angenommen hatte, fuhr schweigend mit einem heiteren Ausdruck auf dem Gesicht. Er wirkte so entspannt, als wäre die Welt vollkommen in Ordnung, er hinter dem Steuer und ich neben ihm. Was noch schlimmer war: Es fiel mir schwer, das zu bestreiten. Tobias interessierte mich. Was er sagte, seine Sicht auf das Leben, die Ewigkeit, die er schon auf der Welt war, das alles beschwor einen Wirbelsturm von Fragen in meinem Kopf herauf. Ich traute ihm immer noch nicht, aber ich hätte ihn zu gern ausgequetscht.
Ich betrachtete seine Hände auf dem Lenkrad. Die Verbrennungen waren verheilt, nur am Handgelenk war noch ein blasser roter Streifen zu sehen. Mein Blick wanderte zu seinem Gesicht, und mir kamen fast die Tränen. Ich hatte keine rosa Brille auf, und es lag auch nicht an Liliths ungestilltem Verlangen. Keiner, der Augen im Kopf hatte, konnte bestreiten, dass der Typ einfach gut aussah, weder feminin noch maskulin; er vereinte das Beste beider Geschlechter. Sein eckiger, wie gemeißelt wirkender Unterkiefer, seine endlos langen Wimpern, seine kräftige, leicht kecke Nase und die meisterhaft geschwungenen Lippen verströmten pure Sinnlichkeit. Keine Narbe, keine Hautunreinheit, kein Pickel waren zu sehen, nur glatte, karamellfarbene Haut, die meine Hände allzu gern berührt hätten. Ich wagte es nicht, seinen Körper anzusehen, das hätte mir das Herz gebrochen.
Er bog in eine Parklücke ein und schaltete den Motor aus, bevor er mich ansah. Da er alle Zeit der Welt hatte, wartete er darauf, dass ich was sagte.
»Ähm, danke für das Essen oder was auch immer das war«, murmelte ich.
Er senkte den Kopf. »Gern geschehen. Du musst besser auf dich aufpassen.«
Ich sah weg, um seinem durchdringenden Blick auszuweichen. »Nett von dir, dass du dir Sorgen um mich machst.«
»Ich mache mir wirklich Sorgen«, bekräftigte er. »Du hast etwas, was mir sehr wichtig ist, und ich muss dafür sorgen, dass es unversehrt und gesund bleibt.«
Bevor ich antworten konnte, durchbrach eine vertraute Melodie die Stille. Auch wenn sie nur gedämpft zu hören war, ich würde sie überall erkennen.
»Wo ist mein Handy?« Ich suchte meinen Sitz ab.
Verärgert über die Unterbrechung wies er mit dem Daumen über seine Schulter. »Hinter deinem Sitz, in deinem Bücherrucksack.«
Ich griff hinter mich, schnappte mir den Rucksack und wühlte darin herum, während ich Tobias unablässig dafür verfluchte, dass er mich in diese Lage gebracht hatte. Ich wusste, was mich am anderen Ende der Leitung erwartete, und machte mich bereit für die unvermeidliche Gardinenpredigt. Bestimmt hatte sie mein Armband überprüft, um zu sehen, wo ich war.
Ich hatte das Telefon kaum ans Ohr gehoben, als die Stimme am anderen Ende auch schon schrie: » WO BIST DU ? WARUM BIST DU NICHT IN DER SCHULE ?«
Ich brachte das Telefon schnell auf Abstand und verzog das Gesicht, als mich ihre Wut mit voller Wucht erwischte. Na ja, das rechte Trommelfell brauchte ich sowieso nicht mehr. »Mom, es geht mir gut. Ich bin jetzt wieder in der Schule und …«
»Warum bist du überhaupt gegangen? Du warst fast zwei Stunden weg! Weißt du nicht, dass da draußen ein wahnsinniger Mörder rumläuft?«
Mein Blick wanderte zu Tobias, der sich auf die Lippen biss und dessen Brust vor unterdrücktem Lachen bebte. Wenigstens einer von uns fand das lustig. Ob Freund oder Feind, eine elterliche Strafpredigt vor Publikum ertragen zu müssen, war ganz einfach uncool.
»Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Ich … ich
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