Camel Club 01 - Die Wächter
gefunden zu haben. Für Kate konnte das nur eines bedeuten: Entweder hatte der Mann nie eine so wichtige Stellung gehabt, dass man seine Fingerabdrücke genommen hätte, oder seine Identität war dermaßen gründlich aus den Datenbanken gelöscht worden, dass Oliver Stone offiziell praktisch nicht mehr existierte. Kate schrieb sich einige mögliche Methoden des Recherchierens auf und legte sich ihre Strategie auf ähnliche Weise zurecht, wie sie sich auf ein Gerichtsverfahren vorbereitete. Als sie mit dem Ergebnis zufrieden war, duschte sie und verließ das Haus.
Kurz darauf hielt sie so nahe am Friedhof Mt. Zion, wie sie es als ratsam erachtete, und wartete. Obwohl es erst halb acht morgens war, kam Stone aus seinem Friedhofswärterhäuschen und strebte die Straße entlang. Kate duckte sich im Wageninnern, sodass er sie nicht bemerkte. Als er sich fast außer Sichtweite befand, geschah etwas Überraschendes. Hinter einigen auf der Q Street geparkten Autos hervor erschien Adelphia und folgte Stone. Einen Moment lang überlegte Kate; dann ließ sie den Motor an. Rasch holte sie Adelphia ein und senkte das Seitenfenster.
Zuerst tat Adelphia so, als wäre Kate ihr unbekannt, doch Kate ließ nicht locker. »Ach ja, ach ja«, sagte Adelphia schließlich verlegen, »jetzt ich Sie erkenne.« Besorgt spähte sie in Stones Richtung. Fast war er aus dem Blickfeld verschwunden.
»Möchten Sie irgendwo hin?«, erkundigte sich Kate, wobei sie in dieselbe Richtung schaute.
»Ich nirgends muss hin«, entgegnete Adelphia in abweisendem Ton. »Ich Freiheit habe nichts zu tun.«
»Wie wäre es dann, wenn ich Sie zu einem Kaffee einlade? Alex hat mir erzählt, Sie trinken gern Kaffee.«
»Ich kann selber mir Kaffee leisten. Ich Geld verdiene. Brauche nicht Almosen.«
»Ich wollte bloß freundlich zu Ihnen sein. Unter Freunden verhält man sich so. Deshalb hat Oliver Ihnen ja geholfen, als dieser Mann im Park brutal zu Ihnen geworden ist.«
Argwöhnisch forschte Adelphia in Kates Gesicht. »Woher Sie wissen?«
»Sie sind nicht die Einzige, die sich um Oliver Sorgen macht, Adelphia. Alex ist auch besorgt. Ich versuche ihm zu helfen, während er auf Dienstreise ist. Also, steigen Sie ein, und wir trinken zusammen einen Kaffee. Bitte.«
»Warum Sie helfen Agent Ford?«, fragte Adelphia misstrauisch.
»Soll ich es Ihnen von Frau zu Frau sagen? Weil er mir etwas bedeutet. So wie Oliver Ihnen etwas bedeutet. Das weiß ich.«
Bei diesen Worten Kates blickte Adelphia ein letztes Mal in Stones Richtung und rümpfte ein wenig die Nase. Doch sie stieg ins Auto und ließ sich in einem nahen Starbucks von Kate einen Kaffee spendieren.
»Was ist es, das Sie tun?«, fragte Adelphia.
»Ich arbeite im Justizministerium.«
»Machen Gerechtigkeit für Regierung?«
»So ähnlich. Wenigstens gebe ich mir Mühe.«
»In meiner Heimat wir hatten jahrzehntelang keine Gerechtigkeit. Die Sowjets gesagt, was zu tun. Ob wir durften atmen oder nicht, sie sagten uns. Ist wie Hölle so was.«
»Ja, das hört sich schrecklich an.«
»Dann ich kam in dies Land, kriegte Arbeit und hab gutes Leben.«
Kate zauderte, hatte jedoch das Gefühl, die Frage stellen zu müssen. »Wie kommt es dann, dass Sie Dauerprotestlerin im Lafayette Park sind?«
Zuerst trat ein trotziger Ausdruck in Adelphias Miene, der allerdings schnell wich. »Danach noch nie wer hat mich gefragt.« Ihre Stimme zitterte. »Nur Sie jetzt. Nach so viele Jahre fragen jetzt Sie mich.«
»Mir ist klar, dass Sie mich nicht gut kennen, aber Sie sind ja auch nicht verpflichtet, darauf zu antworten.«
»Das gut. Ich nicht möchte darüber reden. Ich nicht will.« Für kurze Zeit tranken beide stumm ihren Kaffee. »Sie recht haben«, gestand Adelphia schließlich ein. »Ich krank vor Sorge um Oliver. Er viele Probleme. Ich es weiß.«
»Und woher?«
Adelphia griff in den Ärmel, zupfte ein Taschentuch heraus und wischte sich die Augen. »Letztens ich hab abends TV geguckt. Ich nie gucke TV. Ich nie lese Zeitung. Sie wissen, warum nicht?« Kate schüttelte den Kopf. »Weil sie lügen. Voller Lügen sie sind.«
»Aber vorgestern haben Sie Fernsehen geguckt?«
»Ja, aber Nachrichten, nur Nachrichten. Da ich gesehen.«
»Was haben Sie gesehen?«
Plötzlich wirkte Adelphia verängstigt, als würde ihr plötzlich klar, dass sie schon zu viel dahergeredet hatte. »Es nichts, das ich kann erzählen. Es nicht richtig wäre, zu sagen. Sie Anwältin. Sie für Regierung arbeiten. Ich möchte nicht
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