Camel Club 01 - Die Wächter
anderen jagten. Sich mit den Sorgen um fremde Menschen abzuplagen hatte ihn dermaßen in Anspruch genommen, dass ihm nie viel Zeit geblieben war, über sich selbst nachzudenken. Und jetzt, da es allmählich Zeit wurde, seine Zukunft zu planen, fühlte Alex sich auf einmal nicht mehr dazu imstande. Was war der geeignete Ansatz für ihn? Was sollte er tun? Er fühlte einen Panikanfall nahen, von solchem Kaliber, dass nicht einmal ein zusätzlicher Martini ihn abwenden könnte.
Wie gelähmt stand er an einer Straßenecke und versuchte sich darüber klar zu werden, wie er sein künftiges Leben in den Griff bekommen sollte, als sein Handy sich meldete. Zuerst besagten Name und Nummer der Anruferanzeige ihm nichts, dann aber fiel bei ihm doch noch der Groschen. Die Anruferin war Anne Jeffries, die gescheiterte Verlobte des mausetoten Patrick Johnson.
»Hallo?«
»Finden Sie nicht, dass ich davon erfahren sollte, wenn der Mann, den ich heiraten und mit dem ich mein Leben verbringen wollte, ein mieser Drogendealer gewesen sein soll?« Sie schrie so laut, dass Alex das Handy mit einem Ruck vom Ohr senkte.
»Miss Jeffries…«
»Ich reiche Klage ein. Ich verklage das FBI und den Secret Service. Und Sie. Und Ihre Kollegin, diese Hexe!«
»Nun mal halblang. Ich kann ja verstehen, dass Sie aufgeregt sind…«
»Aufgeregt? Das trifft es nicht im Entferntesten! Nicht nur, dass Patrick in Wahrheit ermordet wurde, nun wird auch noch sein Andenken in den Dreck gezogen.«
»Miss Jeffries, ich bemühe mich lediglich, meine Arbeit zu tun…«
»Sparen Sie sich Ihre erbärmlichen Ausreden für meinen Anwalt auf«, schnauzte Anne Jeffries und legte auf.
Alex steckte das Handy ein und holte tief Luft. Er fragte sich, wen die Frau wohl als Nächstes anrief. Die Washington Post ? Den Moderator von 60 Minutes ? Jeden Chef, den er, Alex Ford, je gehabt hatte? Er rief Jerry Sykes’ private Handynummer an. Weil er nur die Mailbox erreichte, hinterließ er genaue Angaben über das kurze, aber wüste Telefonat mit der trauernden Ex-Verlobten. Damit hatte er getan, was er noch tun konnte. Wahrscheinlich war so oder so bald die Kacke am Dampfen.
Jetzt verspürte er erst recht keine Lust mehr, sich nach Hause zurückzuziehen. Er musste mit irgendwem reden. Und nachdenken.
Alex’ Umherirren führte ihn, wie es öfters geschah, zum Weißen Haus. Er nickte einigen uniformierten Secret-Service-Beamten zu, die er kannte, blieb an einem schwarzen Suburban stehen und plauderte mit dem Agenten, der darin saß und schwarzen Kaffee trank. Alex und der Agent hatten gemeinsam im Louisville Field Office angefangen; später hatten ihre Wege sich getrennt.
Der Präsident veranstalte heute Abend einen Staatsempfang, berichtete der Kollege. Und am Tag darauf sollte es zum Wahlkampf in den Mittelwesten gehen; danach stand eine Gedenkfeier anlässlich des 11. September in New York City an.
»Schön, wenn ein Präsident fleißig ist«, sagte Alex. Manche Regierungsoberhäupter hatten sich aufgerieben, hatten am Tag zwölf Stunden geschuftet und sich dann in den Frack geschmissen, um sich auf das Glatteis des Washingtoner gesellschaftlichen Parketts zu wagen, und hatten anschließend bis in die frühen Morgenstunden in ihrer Wohnung Akten aufgearbeitet und telefoniert. Andere Präsidenten hatten sich nur um die allerwichtigsten Dinge gekümmert, den Rest des Tages verbummelt und zeitig Feierabend gemacht. Doch Alex hatte das Präsidentenamt nie als einen Job betrachtet, bei dem man auf die Uhr schaute, um ja nicht den Feierabend zu versäumen.
Am Lafayette Park sah er zu seinem Erstaunen, dass in Oliver Stones Zelt Licht brannte. Vielleicht traf er doch noch jemanden, mit dem er ein gescheites Wort wechseln konnte.
»Oliver?«, rief er leise, als er vor dem erleuchteten Zelt stand. Der Zelteingang wurde geöffnet, und Alex’ Blick fiel auf einen Unbekannten. »Verzeihung«, sagte Alex. »Ich habe nach…«
»Sieh an, Agent Ford«, sagte Stone und kam aus dem Zelt gekrochen.
»Oliver? Sind Sie es?«
Stone lächelte und rieb sich das glattrasierte Kinn. »Ab und zu muss ein Mann einen Neuanfang machen«, sagte er.
»Ich war schon gestern Abend hier bei Ihnen.«
»Adelphia hat’s mir erzählt. Mir fehlen unsere Schachpartien.«
»Leider bin ich nie ein ebenbürtiger Gegner für Sie gewesen.«
»Im Laufe der Jahre haben Sie sich stark verbessert«, gab Stone freundlich zur Antwort.
Als Alex noch zur Präsidentengarde gehört hatte, war er so oft
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