Camel Club 01 - Die Wächter
ich zwei Jahre bei der NSA«, gab Hemingway zur Antwort. »Ein Jahr nachdem Gray Minister wurde, habe ich beim NIC angefangen.«
»Wie ich gehört habe, bist du für die Führungsposition im Gespräch. Hast du Interesse?«
Hemingway schüttelte den Kopf. »Ich sehe da kaum eine Zukunft für mich.«
»Willst du zurück zur CIA?«
»Die ist doch bloß noch ein Anachronismus.«
»Stimmt. Aber es wird die CIA immer geben, sogar nach den nichtexistenten irakischen Massenvernichtungswaffen.«
»Glaubst du wirklich?«, fragte Hemingway verwundert.
»Ach, weißt du, schon damals, als ich noch daran beteiligt war, diese und jene ›klaren Alternativen‹ zum Kommunismus zu fördern, vor allem monströse Diktaturen, Crack-Verkauf an Schwarze, um illegale Operationen in Übersee zu finanzieren, und den Sturz demokratischer Regierungen, weil deren Politik den amerikanischen Wirtschaftsinteressen zuwiderlief, da dachte ich mir, es muss doch bessere Methoden geben als so was. Inzwischen bin ich über solche Überlegungen lange hinweg.«
»Wir können die heutigen Konflikte nicht mehr mit Soldaten und Spionen gewinnen«, stellte Hemingway fest. »So einfach ist es nicht mehr.«
»Dann können wir überhaupt nicht gewinnen«, behauptete Captain Jack unumwunden. »Denn das sind die einzigen Mittel, mit denen Nationen ihre Auseinandersetzungen austragen.«
»Dostojewski hat geschrieben: ›Während nichts leichter ist, als den Übeltäter zu verurteilen, ist nichts schwerer, als ihn zu verstehen.‹«
»Du und ich, wir haben dort ’ne Menge Zeit verbracht, aber erwartest du wirklich, dass du die ›Übeltäter‹-Mentalität der nahöstlichen Terroristen jemals verstehen kannst?«
»Woher willst du wissen, dass ich von den Übeltätern rede?«, erwiderte Hemingway. »Wir selbst haben keine weiße Weste. Wir selbst haben viele der Probleme verursacht, mit denen wir uns heute herumschlagen.«
»Gerade deshalb sehe ich heute nur noch eine vernünftige Motivation: Geld. Alles andere ist mir schnuppe. Ich kehre heim auf meine wunderschöne kleine Insel und rühre mich nicht mehr. Das war’s dann für meinen Teil.«
»Das nenne ich schonungslose Ehrlichkeit.«
»Hättest du es lieber, ich würde dir irgendwelchen Quatsch auftischen? Zum Beispiel, dass mein leidenschaftlicher ideologischer Standpunkt danach schreit, zur Weltverbesserung beizutragen?«
»Nein, dem ziehe ich schonungslose Offenheit vor.«
»Und warum tust du ’s?«
»Für etwas Besseres als das, was wir derzeit haben.«
»Also doch wieder aus Idealismus? Du wirst es bereuen, Tom. Oder in den Tod rennen.«
»Ich handle nicht aus Idealismus. Es geht mir schlichtweg darum, eine Idee in die Tat umzusetzen.«
Versonnen schüttelte Captain Jack den Kopf. »Ich habe schon so gut wie für und gegen jede Sache gekämpft, die man sich nur vorstellen kann. Irgendein Krieg findet immer statt. Erst ging es um fruchtbares Ackerland und trinkbares Wasser, dann um Bodenschätze, um Territorien und Macht, und schließlich um den Grundsatz: ›Mein Gott ist besser als dein Gott.‹ Ob du deinen Glauben auf Jehova oder Jesus gründest, Allah und Mohammed oder Brahma und Buddha, ist völlig belanglos. Irgendwann kommt sowieso jemand daher und blökt, dass du im Unrecht bist, und legt sich mit dir an. Ich bin davon überzeugt, dass es außerirdisches Leben gibt. Mich können sämtliche irdischen Gottheiten kreuzweise. Bei Milliarden von Planeten in Universum sind wir wirklich nicht so wichtig. Und die Menschen sind ohnehin schlecht bis ins Mark.«
»Buddha hat sich über das Materielle erhoben. Jesus hat befürwortet, dem Übelwollenden auch die andere Wange hinzuhalten, so wie Gandhi die Gewaltlosigkeit gepredigt hat.«
»Jesus wurde verraten und ist am Kreuz gestorben. Und Gandhi wurde von einem Hindu ermordet, dem Gandhis Toleranz gegenüber den Moslems zu weit ging«, hielt Captain Jack ihm entgegen.
Hemingway ging im Wohnzimmer auf und ab. »Ich habe noch gut in Erinnerung, wie mein Vater mir erzählt hat, dass die Briten die Grenzen Indiens neu festgelegt haben, als Indien unabhängig wurde. Man wollte die Hindus von den Moslems trennen, hatte aber veraltetes Kartenmaterial. Wegen dieses verheerenden Versagens der Briten mussten zwölf Millionen Menschen umgesiedelt werden, was ein Chaos zur Folge hatte, das eine halbe Million Menschen das Leben gekostet hat. Und vorher schon war einseitig und willkürlich der Irak zusammengeschustert worden, womit man die
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