Camel Club 02 - Die Sammler
Sümmchen. Seagraves hatte eine Vorliebe fürs Dauergeschäft. Dabei beabsichtigte er zu bleiben, bis die NSA erkannte, dass der Maulwurf in ihrem Innern saß. Dann würde er das NSA-Geschäft aussetzen; jedenfalls für eine Weile, denn Bürokraten hatten ein kurzes Gedächtnis. In der Zwischenzeit konnte er sich anderen Zielen widmen. Ihm schwebten viele Ziele vor.
Er benutzte ein Stückchen Kaugummi, um sich die Folie mit den Einzelheiten des NSA-Observationsprogramms hinter einen Schneidezahn zu kleben. Danach ging er in das Motelzimmer, das er zuerst betreten hatte. Dort hing eine frische Garnitur Kleidung im Schrank. Er duschte, zog sich um und verließ das Hotel, ging mehrere Häuserblocks die Straße entlang, nahm einen Bus bis zu einem Mietwagenunternehmen, stieg in einen anderen Leihwagen und fuhr nach Hause.
Er brauchte eine Stunde, um die digitalen Informationen aus dem Speicher zu bergen; dann noch eine Stunde, um sie in eine zur Weitergabe geeignete Form zu bringen. Als Spion war Seagraves lange Zeit ein begeisterter Erforscher von Geheimcodes im Besonderen und der Geschichte der Kryptologie im Allgemeinen gewesen. Heute wurden Mitteilungen durch Computer automatisch verschlüsselt und decodiert. Die verlässlichsten Programme zum Entschlüsseln umfassten Hunderte, sogar Tausende von Gigabytes – und waren damit viel umfangreicher als die verschlüsselten Botschaften selbst. Um die sichersten Codes zu knacken, erforderte es ein gewaltiges Computerpotential und im Extremfall vielleicht Tausende, wenn nicht Millionen von Jahren, weil moderne Kryptologen von vornherein erwarteten, dass man ihre Mitteilungen abfing, sodass sie ihre Codesysteme entsprechend komplex gestalteten. Ihr Grundsatz lautete: Ihr könnt eine Nachricht vielleicht abfangen, aber lesen könnt ihr sie deshalb noch lange nicht.
Seagraves hatte sich für eine ältere Methode der Verschlüsselung entschieden, weil der Weg der Übermittlung für heutige computerisierte Überwachungszentralen ein noch größeres Problem darstellen konnte als die Art der Verschlüsselung selbst – und wenn man eine Nachricht gar nicht erst abfing, waren die besten Entschlüsselungsprogramme wertlos. Altmodische Verfahren, fand Seagraves, hatten etwas für sich. Daraus konnte selbst die NSA mit all ihren technischen Machtmitteln noch eine Lehre ziehen.
Nachdem er diese Aufgabe erledigt hatte, fiel Seagraves ins Bett.
Doch er konnte nicht schlafen. Ständig musste er an die nächste Liquidierung denken. Sie sollte seine kostbare Sammlung um einen Gegenstand vermehren.
In seinem Friedhofsgärtnerhäuschen fasste Stone den Stand der Erkenntnisse mit wenigen kurzen Worten zusammen. Als er die überstrichene Beschriftung des verdächtigen Behälters erwähnte – C0 2 5000 PPM –, klappte Milton sofort das Notebook auf, in dem er aus dem Internet einschlägige Informationen gespeichert hatte. »CO 2 wird in von Personen benutzten Gebäuden praktisch nie als Löschmittel eingesetzt«, erläuterte er, als Stone fertig war, »weil es zur Brandunterdrückung in der Luft einen sofortigen Sauerstoffentzug bewirkt und deshalb einen Menschen ersticken kann. Bei 5000 ppm, also Teile pro Million, dürfte der Tod im Umkreis der Austrittsdüse ziemlich schnell eintreten, ohne dass noch eine Fluchtmöglichkeit besteht. Und es ist kein angenehmer Tod.«
Annabelle gab einen Würgelaut von sich, stand auf, ging zum Fenster und starrte hinaus. »Und es hat eine Abkühlung zur Folge, vermute ich«, sagte sie hastig zu Stone, der sie besorgt beobachtete.
Den Blick auf den Bildschirm geheftet, nickte Milton. »Bei Hochdruckanlagen sprüht das System Trockeneispartikel aus. Man spricht von einem Gefriereffekt, weil dadurch rasch die Hitze verringert, die Temperatur der Umgebung gesenkt und einem Wiederaufflammen des Feuers vorgebeugt wird. Bei Zimmertemperatur verdunsten die Partikel und hinterlassen keine Spuren.«
»Zu dem Zeitpunkt, als Caleb und DeHaven im Tresorraum gefunden wurden«, ergänzte Stone die Ausführungen Miltons, »hatte sich der C0 2 -Gehalt der Luft wahrscheinlich normalisiert, und jede noch spürbare Kühle ist vermutlich durch die in den Tresorräumen allgemein etwas niedrigere Temperatur erklärt worden.«
»Aber wenn DeHaven an C0 2 erstickt ist«, fragte Reuben, »müsste es bei der Autopsie nicht festgestellt worden sein?«
Während des Gesprächs huschten Miltons Finger unablässig über die Tastatur. »Nicht unbedingt. Ich habe mir hier
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